Shantaram
uns zusammenbleiben bis in alle Ewigkeit, Amen.«
»Ich gehe nicht zurück«, sagte sie knapp.
»Aber warum denn nicht?«
»Ich kann nicht … Ich will einfach nicht, und ich will auch nicht, dass du gehst.«
»Nun gut. Wo liegt denn jetzt das Problem, Karla? Ich kann doch in Bombay erledigen, was ich zu erledigen habe, und du wartest solange hier. Und wenn alles erledigt ist, komme ich wieder.«
»Ich will nicht, dass du fährst«, wiederholte sie mit monotoner Stimme.
»Jetzt komm schon, Karla. Ich muss zurück.«
»Nein, musst du gar nicht.«
Mein Lächeln wich einem Stirnrunzeln.
»Doch, ich muss. Ich habe Ulla versprochen, dass ich nicht länger als zehn Tage wegbleibe. Sie steckt immer noch in Schwierigkeiten. Das weißt du doch.«
»Ulla kann auf sich selbst aufpassen!«, zischte Karla über die Schulter, immer noch nicht willens, sich umzudrehen und mir in die Augen zu sehen.
»Bist du eifersüchtig auf Ulla?«, fragte ich grinsend und strich ihr übers Haar.
»Red keinen Schwachsinn«, fauchte sie. Jetzt drehte sie sich um, und ihre Augen blitzten vor Zorn. »Ich mag Ulla, aber sie kann auf sich selbst aufpassen, das habe ich doch gesagt.«
»Ganz ruhig. Was ist denn nur los mit dir? Du wusstest doch, dass ich heute zurückfahre. Wir haben darüber gesprochen. Ich steige ins Passgeschäft ein. Du weißt doch, wie wichtig das für mich ist.«
»Ich besorge dir einen Pass. Ich kann dir auch fünf Pässe besorgen, wenn du willst.«
Nun fing ich an, störrisch zu werden.
»Ich will nicht, dass du mir einen Pass besorgst. Ich will selbst lernen, wie man Pässe herstellt und fälscht. Ich will das alles lernen – alles, alles. Die werden mir das beibringen. Und wenn ich das erst mal beherrsche, bin ich frei, Karla. Ich will frei sein. Frei. Das ist es, was ich will.«
»Warum sollte es dir anders ergehen als anderen?«, fragte sie.
»Wie meinst du das?«
»Niemand bekommt, was er will«, sagte sie. »Niemand. Absolut niemand.«
Ihre Wut wich etwas viel Schlimmerem, das ich noch nie bei ihr erlebt hatte: einer Mischung aus Resignation, Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit. Ich wusste, dass es eine Sünde war, dieses Gefühl bei solch einer wunderbaren Frau, ja überhaupt bei einer Frau auszulösen. Und in dem Augenblick, als ich sah, wie ihr mattes Lächeln erstarb, wusste ich, dass ich früher oder später dafür bezahlen würde.
»Ich habe Ulla zu meinem Freund Abdullah geschickt. Er kümmert sich um sie. Ich kann sie nicht einfach dort sitzen lassen. Ich muss zurück.«
»Wenn du das nächste Mal nach mir suchst, werde ich nicht mehr hier sein.« Sie drehte sich um und lehnte sich wieder an den Türrahmen.
»Was soll das nun schon wieder heißen?«
»Genau das, was ich gesagt habe.«
»Soll das eine Drohung sein? Ein Ultimatum?«
»Du kannst es nennen, wie du willst«, antwortete sie mit dumpfer Stimme, als erwachte sie gerade aus einem Traum. »Das ist Fakt. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn du nach Bombay zurückgehst, war es das für mich. Im Klartext: Ich werde dich weder begleiten noch auf dich warten. Also, entscheide dich: Bleib hier bei mir, oder fahr zurück. Aber wenn du gehst, ist es aus mit uns.«
Ich starrte sie an, verwirrt, wütend und verliebt.
»So geht das nicht«, sagte ich dann ein wenig sanfter. »Du musst mir schon sagen, warum. Du musst mit mir reden, Karla. Du kannst mir kein Ultimatum stellen, einfach so, ohne Begründung, und dann erwarten, dass ich mich darauf einlasse. Es ist nicht dasselbe, ob man die Wahl hat oder ein Ultimatum gestellt bekommt. Die Wahl haben, bedeutet, dass man weiß, was los ist und warum. Dann kann man sich frei entscheiden. Ich bin kein Mann, dem man ein Ultimatum stellt, Karla. Wenn ich von der Sorte wäre, hätte ich es nicht geschafft, aus dem Gefängnis auszubrechen. Du kannst mich nicht herumkommandieren, Karla. Du kannst mir nicht befehlen, etwas zu tun, ohne mir einen Grund dafür zu nennen. So ein Mensch bin ich einfach nicht. Du musst mir schon sagen, was dahintersteckt.«
»Das kann ich nicht.«
Ich seufzte und sprach ruhig, aber mit zusammengebissenen Zähnen weiter.
»Ich glaube, du … verstehst nicht. Schau, es gibt nicht viel, was ich an mir selbst achte. Aber dieses bisschen ist alles, was ich habe. Man muss sich selbst achten, Karla, bevor man jemand anderen achten kann. Wenn ich einfach klein beigeben und tun würde, was du willst, ohne dass du mir einen Grund dafür gibst, würde ich mich selbst nicht mehr
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