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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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küsste mich, und der weiche Sand nahm uns auf, als wir ineinandersanken. Unsere Finger umschlangen sich über unseren Köpfen, und wir liebten uns, während der betende Mond die See verführte, sie verlockte, ihre Wellen über den verzauberten unfehlbaren Strand zu ergießen, wo sie schäumten und gischteten.
    Und dann spielten wir eine Woche lang Touristen in Goa: Wir pilgerten zu allen Stränden an der Küste des Arabischen Meeres, von Chapora bis zum Cabo de Rama. Wir schliefen zwei Nächte lang auf dem Colva Beach, diesem weißgoldenen Wunder. Wir besichtigten alle Kirchen von Old Goa. Am Festtag des heiligen Francisco de Xavier mischten wir uns unter die riesige Menge der euphorisierten, ekstatischen Pilger. Es wimmelte von Menschen im Sonntagsstaat auf den Straßen. Und zur Feier des Tages waren alle Kaufleute und Straßenhändler aus der Umgegend angereist. Prozessionen von Lahmen, Blinden und Siechen, die auf ein Wunder hofften, schoben sich langsam auf die Basilika des Heiligen zu. Xavier, ein Spanier, war einer der ersten sieben Mönche in dem Orden gewesen, den sein Freund Ignatius von Loyola gegründet hatte. Xavier starb im Jahre 1552. Er war erst sechsundvierzig Jahre alt, doch seine spektakulären Missionsreisen nach Indien und in den Fernen Osten der damaligen Welt waren damals bereits legendär. Nach zahlreichen Beerdigungen und Exhumierungen wurde der Leichnam des heiligen Francisco de Xavier Anfang des 17. Jahrhunderts schließlich in der Basilika Bom Jesus in Goa zur letzten Ruhe gebettet. Sein Leichnam, der noch immer in einem erstaunlich guten Erhaltungszustand ist – wofür so mancher Gläubige ein Wunder verantwortlich macht –, wird alle zehn Jahre öffentlich ausgestellt. Und auch wenn die sterbliche Hülle des Heiligen gegen den physischen Zerfall gefeit scheint, hat sie im Laufe der Jahrhunderte doch diverse Amputationen und Eingriffe hinnehmen müssen: Im 16. Jahrhundert biss eine Portugiesin dem Heiligen einen Zeh ab, in der Hoffnung, diesen als Reliquie behalten zu dürfen. Außerdem wurden Teile seiner rechten Hand sowie einige Stücke der heiligen Eingeweide an religiöse Zentren verschickt. Doch welche astronomischen Summen Karla und ich den Hausmeistern der Basilika unter lautstarkem Gelächter auch anboten – sie weigerten sich standhaft, uns einen Blick auf den altehrwürdigen Leichnam werfen zu lassen.
    »Warum hast du eigentlich Raubüberfälle begangen?«, fragte Karla mich in einer jener warmen Nächte, in denen der Himmel samten ist und die Brandung rauscht wie Seide.
    »Das habe ich dir doch schon erzählt. Meine Ehe ist in die Brüche gegangen, und ich habe meine kleine Tochter verloren. Ich habe den Boden unter den Füßen verloren und angefangen, Drogen zu nehmen. Die Raubüberfälle habe ich dann begangen, um meine Heroinsucht zu finanzieren.«
    »Nein, ich meine, warum gerade Raubüberfälle ? Warum nicht irgendwas anderes?«
    Es war eine gute Frage, die mir keiner aus dem Justizsystem je gestellt hatte – weder Polizisten noch Anwälte, weder Richter noch Psychiater oder Gefängnisdirektoren.
    »Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ziemlich ausführlich sogar. Ich weiß, das klingt vielleicht komisch, aber ich glaube, dass es viel mit dem Fernsehen zu tun hatte. Jeder Fernsehheld hat eine Knarre. Und irgendwie hatte so ein bewaffneter Raubüberfall für mich etwas … etwas Mutiges. Ich weiß, eigentlich ist da überhaupt nichts Mutiges dran – im Gegenteil, es ist feige, jemanden mit der Waffe zu bedrohen –, aber damals erschien es mir als die mutigste Weise, Geld zu stehlen. Ich hätte es niemals über mich gebracht, alte Frauen niederzuschlagen und ihnen die Handtasche zu stehlen oder in Privathäuser einzubrechen. Aber Raubüberfälle kamen mir irgendwie fair vor, denn ich habe schließlich jedes Mal dabei riskiert, erschossen zu werden – entweder von den Leuten, die ich überfallen habe, oder von den Bullen.«
    Sie sah mich schweigend an, atmete fast im selben Rhythmus wie ich.
    »Außerdem – außerdem gibt es in Australien diesen ganz besonderen Helden …«
    »Erzähl weiter«, drängte sie.
    »Er hieß Ned Kelly. Ein junger Kerl, der in seiner Gegend mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist. Ein zäher Bursche, aber eigentlich kein harter Mann, eher jung und wild. Die Bullen waren sauer auf ihn und haben ihn in die Falle gehen lassen. Angefangen hatte alles damit, dass einer der Bullen in Neds Schwester verknallt war und sie im Suff belästigt

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