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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Pool gebeugten Palmen hinauf.
    Und wieder war mir, als säße ich in einer Falle, als harre meiner ein Schicksal, auf das meine Handlungen und Wünsche keinerlei Einfluss hatten. Es schien mir, als seien die Sternbilder lediglich die Umrisse eines gigantischen Käfigs, der sich in einem unergründlichen Kreislauf immer wieder neu zusammenfügte, bis dann jener besondere Moment kam, den das Schicksal für mich ausersehen hatte. Es gab so vieles, was ich nicht verstand. Zu vieles, was ich nicht zu fragen wagte. Und in diesem unergründlichen Netz aus Verbindungen und Verschleierungen, in dem ich gefangen war, wurde ich hellhörig. Der Geruch der Gefahr und das Aroma der Angst erfüllten plötzlich alle meine Sinne. Dieses erregende und beklemmende Hochgefühl war so stark, dass ich Abdul Ghani und unserem gemeinsamen Unterfangen erst eine Stunde später, als wir seine Passwerkstatt betraten, meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken konnte.
    »Das ist Krishna, und das ist Villu«, stellte mir Ghani zwei kleine, schlanke, dunkelhäutige Männer vor, die sich so ähnlich sahen, als seien sie Brüder. »In unserem Geschäft gibt es viele Experten, die einen detektivisch scharfen Blick fürs Detail und die ruhige, sichere Hand eines Chirurgen haben. Aber meine zehnjährige Erfahrung in der Kunst der Fälscherei sagt mir, dass die besten Fälscher der Welt aus Sri Lanka kommen, so wie Krishna und Villu.«
    Die Männer reagierten auf das Kompliment mit einem breiten Lächeln, bei dem sie makellos weiße Zahnreihen entblößten. Beide hatten schöne Gesichter mit ebenmäßigen, feinen Zügen. Dann wandten sie sich wieder ihrer Arbeit zu, und wir begannen unseren Rundgang durch die Fälscherwerkstatt.
    »Das hier ist der Leuchttisch«, erklärte Abdul Ghani und deutete mit seiner dicken Hand auf einen langen Tisch. Die Tischplatte aus opakem Milchglas wurde durch starke Lampen von unten erhellt. »Krishna ist unser bester Mann auf diesem Gebiet hier: Er untersucht echte Pässe auf Wasserzeichen und verborgene Muster, die er dann bei Bedarf nachmacht.«
    Ich beugte mich über Krishnas Schulter und sah zu, wie er in einem britischen Pass die Seiten mit den Personaldaten studierte. Über die gesamte Doppelseite verlief ein kompliziertes filigranes Muster aus Wellenlinien, die sich auch über das Foto zogen. In einem danebenliegenden Pass zeichnete Krishna das Originalmuster mit einem feinen Filzstift auf einem neu eingeklebten Foto nach. Dann legte er die beiden Muster auf der beleuchteten Glasscheibe übereinander, um zu prüfen, ob sie identisch waren.
    »Villu ist unser bester Stempelmann«, sagte Abdul Ghani, während er mich zu einem anderen Tisch führte. Auf einem Regal an einem Ende lagen reihenweise Gummistempel.
    »Villu kann jeden Stempel nachbilden, und sei er noch so kompliziert. Visastempel, Ein- und Ausreisen, Sondererlaubnisse, was wir eben so alles brauchen. Er hat drei brandneue Profilfräsen, die übrigens ein Heidengeld gekostet haben. Ich musste sie aus Deutschland importieren, und als Bakschisch habe ich fast den Einkaufspreis nochmal draufgelegt, damit wir die Dinger hier in die Werkstatt kriegen, ohne dass der Zoll unangenehme Fragen stellt. Und weißt du was? Unser Villu ist ein Künstler, und ich muss mit ansehen, wie er die schönen Fräsen einfach mit Verachtung straft und die Stempel von Hand schneidet.«
    Ich sah zu, wie Villu aus einer Gummimatrize einen neuen Stempel herstellte. Er kopierte die vergrößerte Aufnahme eines Ausreisestempels vom Athener Flughafen auf den Rohling und schnitt den neuen Stempel dann mithilfe eines Skalpells und einer Goldschmiedfeile. Ein Testabdruck wies noch kleine Mängel auf. Als Villu diese beseitigt hatte, schmirgelte er den Stempel an einer Ecke mit Schleifpapier ein wenig ab. Dieser bewusst erzeugte Makel gab dem Stempelabdruck auf dem Blatt etwas Natürliches und wirkte dadurch noch echter. Der fertige Stempel wurde zu den Dutzenden anderen gelegt, die in dem Regal darauf warteten, in frisch gefälschten Pässen eingesetzt zu werden.
    Abdul Ghani setzte die Führung durch die Werkstatt fort, zeigte mir die Computer, Kopiergeräte, Druckerpressen, Profilfräsen und die Vorräte an Urkundenpapier und Spezialtinte. Als ich alles gesehen hatte, was es bei einem ersten Besuch zu erkunden gab, bot er mir an, mich nach Colaba zurückzufahren. Ich lehnte dankend ab und fragte, ob ich mich stattdessen noch eine Weile bei den beiden Fälschern aus Sri Lanka aufhalten

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