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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Boden zerstört. Sie hatten gesundheitliche Probleme. Es ging rasant bergab mit ihnen. Schließlich landeten sie im Krankenhaus. Erst fiel die eine, dann die andere ins Koma. Sie lagen nebeneinander in ihren Krankenhausbetten und wurden nur wenige Minuten nacheinander für klinisch tot erklärt. Anand war dabei, zusammen mit einigen anderen aus dem Slum. Er blieb lange genug, um zu sehen, wie den beiden das Laken übers Gesicht gezogen wurde. Dann ist er aus dem Krankenhaus gerannt. Er war außer sich vor Wut – wahrscheinlich hatte er auch Schuldgefühle. Jedenfalls machte er sich auf die Suche nach Rashid. Er klapperte die ganzen Kaschemmen ab, in die Rashid immer ging. Als er ihn schließlich fand, lag Rashid in einer Müllgrube und schlief nach einer Sauftour seinen Rausch aus. Er hatte ein paar Kinder dafür bezahlt, dass sie die Ratten von ihm fernhielten. Anand jagte die Kinder weg, setzte sich neben Rashid und hörte ihm beim Schnarchen zu. Dann hat er ihm die Kehle durchgeschnitten und ist dort sitzen geblieben, bis kein Blut mehr kam.«
    »Üble Geschichte«, murmelte Kavita, ohne von ihrem Block aufzusehen.
    »Ja, kann man wohl sagen. Ist es immer noch. Anand hat sich gestellt und ein umfassendes Geständnis abgelegt. Er ist jetzt wegen Mordes angeklagt.«
    »Und was soll ich …?«
    »Du sollst einen Aufmacher aus dieser Geschichte machen. Ich will, dass du eine Initiative für ihn ins Leben rufst, damit ihm im Falle seiner Verurteilung – und er wird mit Sicherheit verurteilt werden – nicht ganz so übel mitgespielt werden kann. Ich will, dass er Unterstützung bekommt, während er im Gefängnis ist, und dass seine Haftstrafe so kurz wie möglich ausfällt.«
    »Das sind ganz schön viele IchWills.«
    »Ich weiß.«
    »Na ja«, sagte sie mit gerunzelter Stirn. »Das ist eine interessante Geschichte, Lin, aber weißt du, solche Geschichten bekommen wir jeden Tag zugetragen, viel zu viele davon. Witwenverbrennung, Mitgiftmorde, Kinderprostitution, Sklaverei, die Tötung weiblicher Säuglinge – in Indien findet ein regelrechter Krieg gegen die Frauen statt. Es ist ein Kampf bis auf den Tod, und meistens sind es die Frauen, die dabei sterben. Ich möchte deinem Mann gern helfen, Lin, aber ich sehe das nicht als Aufmacher, yaar. Abgesehen davon habe ich auf die Gestaltung der Titelseite auch gar keinen Einfluss. Ich bin noch neu bei der Zeitung, vergiss das nicht.«
    »Es geht aber noch weiter«, wandte ich ein. »Der Knaller ist nämlich, dass die beiden Schwestern gar nicht gestorben sind. Etwa eine halbe Stunde, nachdem sie für tot erklärt worden waren, hat sich Rashids Frau unter dem Laken geregt. Ein paar Minuten später stöhnte ihre Schwester und bewegte sich auch. Heute sind die beiden total gesund, und ihre Hütte im Slum ist zu einer Art Schrein geworden. Die Leute kommen aus der ganzen Stadt, um die Wunderschwestern zu sehen, die von den Toten auferstanden sind. Für die Läden im Slum ist es das Beste, was ihnen passieren konnte. Sie treiben einen schwunghaften Handel mit den Pilgern. Und die Schwestern sind inzwischen reicher, als sie es sich je hätten träumen lassen. Die Leute werfen ihnen Geld zu, eine oder zwei Rupien, und das summiert sich. Die Schwestern haben eine Hilfsorganisation für verlassene Ehefrauen gegründet. Und ich glaube, ihre Geschichte – von den Toten auferstanden, weißt du – könnte den Fall schon auf die Titelseite bringen.«
    »Arrey yaar, baba!«, japste Kavita. »Okay, als Erstes musst du mich mit den Frauen zusammenbringen. Die sind der Schlüssel zu dem Ganzen. Und dann muss ich Anand Rao im Gefängnis besuchen.«
    »Ich bringe dich zu ihm.«
    »Nein«, widersprach sie. »Ich muss allein mit ihm reden. Ich will nicht, dass du ihm irgendwas in den Mund legst oder dass er sich irgendwie anders verhält, weil du dabei bist. Ich muss sehen, wie er alleine ist. Wenn wir eine Kampagne für ihn starten, muss er für sich selbst sprechen können. Aber du kannst vorher natürlich gerne mit ihm reden und die Weichen für das Interview stellen. Ich werde versuchen, ihn in den nächsten zwei, drei Wochen zu besuchen. Wir haben viel zu tun.«
    Wir diskutierten noch weitere zwei Stunden über die Kampagne, und ich beantwortete ihre zahlreichen Fragen. Als ich sie verließ, war ich aufgeregt und beschwingt. Ich fuhr direkt zum Nariman Point, wo ich mir an einem der Essensstände am Strand eine dampfend heiße Mahlzeit kaufte. Doch ich hatte weniger Appetit, als ich

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