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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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gedacht hatte, und ließ die Hälfte übrig. Unten an den Felsen, in Sichtweite der Stelle, wo mich Abdullah drei Jahre zuvor angesprochen hatte, wusch ich mir die Hände im Meerwasser.
    Auf dem seichten, schnell dahinfließenden Strom meiner Gedanken trieben jetzt wieder Khaders Worte: Das Falsche, aus den richtigen Gründen … Ich musste an Anand Rao im Arthur-Road-Gefängnis denken, an den großen Schlafsaal mit den Gefangenenaufsehern und den Läusen. Ich schüttelte den Gedanken ab, ließ ihn von der leichten Brise davontragen. Kavita hatte mich gefragt, warum mir Anand Raos Fall so wichtig sei. Ich hatte ihr nicht erzählt, dass er vor dem Mord zu mir gekommen war, nur eine Woche, bevor er Rashid die Kehle durchgeschnitten hatte. Dass ich ihn nicht angehört und ihn überdies beleidigt und seine Zwangslage herabgewürdigt hatte, indem ich ihm Geld anbot. Ich wich der Frage aus und ließ Kavita in dem Glauben, dass ich nur einem Freund helfen, dass ich nur das Richtige tun wollte.
    Khaderbhai hat einmal gesagt, dass jeder tugendhaften Handlung ein dunkles Geheimnis zugrunde liegt. Vielleicht gilt das nicht für alle Menschen, aber für mich galt es sehr wohl. Das wenige Gute, das ich auf dieser Welt getan habe, zog stets den Schatten eines dunklen Beweggrundes nach sich. Heute weiß ich, was ich damals noch nicht wusste: dass die Motivation bei guten Taten langfristig ausschlaggebender ist als bei bösen. Wenn Schuldgefühle und Scham, die wir wegen schlechter Taten empfinden, verflogen sind, können unsere guten Taten uns retten. Doch wenn die Erlösung naht, kommen unsere Geheimnisse und unsere verborgenen Motive aus den Schatten hervorgekrochen. Sie lassen sich nicht vertreiben, diese dunklen Beweggründe für unsere guten Taten. Der Weg zur Erlösung ist am mühsamsten, wenn das Gute, das wir getan haben, von heimlicher Scham besudelt ist.
    Doch damals wusste ich das alles noch nicht. Ich wusch mir im kalten, teilnahmslosen Meer die Hände, und mein Gewissen war so still und fern wie die stummen, unerreichbaren Sterne.

S IEBENUNDZWANZIGSTES K APITEL
     

    B evor gebrauchte Pässe – die im Jargon von uns Fälschern und Schmugglern »Bücher« genannt werden – von Schwarzmarkthändlern benutzt oder verkauft werden durften, wurden sie sorgfältig überprüft. Es musste nämlich ausgeschlossen werden, dass die Junkies, Ausreißer oder mittellosen Ausländer, die unseren Agenten ihren Pass verkauft hatten, in ihrem eigenen oder einem anderen Land wegen eines schweren Delikts gesucht wurden. Nicht wenige Schmuggler waren auf diese Weise gefasst worden: Sie hatten sich einen Pass gekauft, ihn ihren Bedürfnissen entsprechend geändert und waren nichtsahnend zu einem Fischzug aufgebrochen, nur um auf dem nächstbesten ausländischen Flughafen festgenommen zu werden, weil der ursprüngliche Besitzer des Passes wegen Mord, Raub oder eigener Schmuggelaktivitäten gesucht wurde. Um die Zufriedenheit der Kunden und die Sicherheit unsere Kuriere zu gewährleisten, unterzog Abdul Ghani jeden neuen Pass, den er hatte kaufen oder stehlen lassen, einer doppelten Prüfung. Erste Kontrollinstanz war ein Zollbeamter mit Computerzugang am internationalen Flughafen von Bombay. An einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit, die er selbst festlegte, erhielt der Beamte eine Liste von uns, auf der sämtliche Daten der zu überprüfenden Pässe notiert waren – Ursprungsland, Name des Inhabers und Passnummer. Wenn wir die Liste ein oder zwei Tage später zurückbekamen, hatte er auf der Liste die Pässe, die im Computer markiert waren, durchgestrichen. Markierungen gab es, wenn gegen den Inhaber des Passes ein internationaler Haftbefehl erlassen war oder ein Verdacht bestand, wie Verwicklung in Drogen- oder illegale Waffengeschäfte oder eine politische Verbindung, die den Sicherheitskräften nicht geheuer war. Aus welchem Grund diese Pässe auch markiert waren – für den Verkauf auf dem Schwarzmarkt waren sie genauso unbrauchbar wie für Ghanis Kuriere.
    Ganz wertlos waren diese ausgemusterten Pässe allerdings auch nicht. Man konnte sie beispielsweise ausschlachten, indem man leere Seiten herauslöste und in andere Pässe einfügte. Und man konnte sie für kleine Betrügereien innerhalb des Landes benutzen, denn in jeder Stadt gab es Hotels, die es mit dem Eintrag ausländischer Gäste ins C-Formular nicht so genau nahmen und über eine mangelnde Übereinstimmung zwischen Passbild und Passinhaber großzügig

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