Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
Vom Netzwerk:
Chandra Mehta vor, zweien der insgesamt vier Produzenten des Films. De Souza war ein großer, lockenköpfiger dreißigjähriger Goaner mit entwaffnendem Grinsen und federndem Gang. Chandra Mehta ging auf die vierzig zu. Er war übergewichtig, fühlte sich aber offensichtlich wohl damit: Er gehörte zu dem Typus Mann, der in die Breite geht, um seine gefühlte Bedeutung ausfüllen zu können. Mir waren beide Männer sympathisch, und obwohl sie zu beschäftigt waren, um sich lange mit mir unterhalten zu können, war unsere erste Begegnung offen und herzlich.
    Ich bot Lisa an, sie in die Stadt mitzunehmen, doch sie hatte sich für die Rückfahrt schon mit Kalpana verabredet und wollte lieber auf ihre Freundin warten. Ich gab ihr die Telefonnummer meiner neuen Wohnung und schärfte ihr ein, dass sie mich immer anrufen könne, wenn sie mich brauchte. Als ich durch die Eingangshalle hinausging, sah ich aus dem Augenwinkel Kavita Singh, die gerade auch das Hotel verließ. Wir waren in den vergangenen Monaten beide so beschäftigt gewesen – sie mit der Berichterstattung über Verbrechen, ich mit deren Verübung –, dass wir uns wochenlang nicht gesehen hatten.
    »Kavita!«, rief ich und lief ihr nach. »Du kommst wie gerufen! Die führende Reporterin von Bombays führender Tageszeitung! Wie geht’s dir? Du siehst fantastisch aus!«
    Sie trug einen elfenbeinfarbenen Hosenanzug aus Seide. Ihre Leinenhandtasche hatte exakt den gleichen Farbton. Das einreihige Jackett war tief dekolletiert, und darunter trug sie ganz offensichtlich nichts.
    »Jetzt mach mal halblang!«, brummte sie und grinste verlegen. »Das ist mein Aufreißer-Outfit. Ich musste Vasant Lasal interviewen. Von dem komme ich gerade.«
    »Du bewegst dich ja in einflussreichen Kreisen.« Ich erinnerte mich an Fotos von dem populistischen Politiker. Seine Aufrufe zur Gewalt gegen andere Volksgruppen hatten zu Tumulten, Brandstiftungen und Ermordungen geführt. Wenn ich ihn im Fernsehen sah oder eine seiner bigotten Reden in der Zeitung las, musste ich immer an den grausamen Wahnsinnigen denken, der sich Sapna nannte: Lal war eine legale, politische Version des psychopathischen Killers.
    »Eine richtige Schlangengrube war das, da oben in seiner Suite, baba, das kannst du mir glauben. Aber ich habe mein Interview bekommen. Er hat eine Schwäche für dicke Titten.« Sie schleuderte mir den ausgestreckten Finger ins Gesicht. »Sag jetzt nichts!«
    »Hey!« Ich hob beschwichtigend die Hände und wiegte den Kopf. »Ich hab nichts gesagt, yaar. Keinen Ton. Aber ein bisschen spannen ist hoffentlich erlaubt. Oh Mann, am liebsten hätte ich jetzt drei Augen – aber ich sage kein Wort!«
    »Mistkerl«, zischte sie mit zusammengebissenen Zähnen und lachte dazu. »Verdammt, Mann, wo soll das noch hinführen, wenn einer der wichtigsten Typen der Stadt sich weigert, mit einer Frau zu sprechen, aber ihren Titten ein zweistündiges Interview gibt? Männer sind doch echt gestörte Arschlöcher, findest du nicht?«
    »Was soll ich dazu sagen, Kavita«, seufzte ich.
    »Echte Schweine, yaar.«
    »Dem kann ich nichts entgegensetzen. Wo du recht hast, hast du recht.«
    Sie beäugte mich misstrauisch.
    »Wieso bist du eigentlich so verdammt verständnisvoll, Lin?«
    »Sag mal, wo musst du jetzt hin?«
    »Was?«
    »Wo musst du hin? Von hier aus, meine ich.«
    »Ich wollte mir ein Taxi in die Stadt nehmen. Ich wohne jetzt in der Nähe von der Flora Fountain.«
    »Soll ich dich vielleicht auf dem Motorrad mitnehmen? Ich würde ganz gern mal mit dir reden. Ich brauche deine Hilfe bei einem kleinen Problem.«
    Kavita kannte mich nicht gut. Ihre Augen, braun wie Zimtrinde und golden gesprenkelt, musterten mich nun von Kopf bis Fuß, und das Ergebnis ihrer kriminologischen Inspektion hatte nicht unbedingt den gewünschten Effekt.
    »Was für ein Problem?«, erkundigte sie sich.
    »Es hat mit einem Mord zu tun«, antwortete ich. »Ich hätte gern, dass ein Aufmacher daraus wird. Ich erzähle dir die ganze Geschichte, wenn wir bei dir sind. Unterwegs kannst du mir ja von Vasant Lasal erzählen – auf dem Motorrad musst du zwar brüllen, aber dabei kann man sich gut abreagieren, na ?«
    Ungefähr vierzig Minuten später saßen wir in ihrer kleinen Wohnung am Rand des Fort-Viertels, nahe der Flora Fountain. Es war eine winzige Wohnung im vierten Stock, mit Klappbett, einer rudimentären Küche und Hunderten von lauten Nachbarn. Das Bad allerdings war geradezu luxuriös und groß genug für

Weitere Kostenlose Bücher