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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Sorte, die man gerne behalten möchte.
    »Ja, das würde ich total gerne machen«, sprudelte sie hervor und errötete unter ihrer Sonnenbräune. »Ich muss echt irgendwas machen, Lin, und ich glaube, ich bin jetzt an dem Punkt. Als Kalpana mit dieser Castinggeschichte ankam, hätte ich am liebsten gleich zugegriffen, aber ich war zu nervös, um das allein zu machen. Danke.«
    »Nichts zu danken. Wie läuft’s denn mit dir und Abdullah?«
    »Hmmmm«, murmelte sie und kaute zu Ende, bevor sie antwortete. »Ich arbeite im Moment nicht – du verstehst schon –, das ist also schon mal etwas. Ich arbeite nicht im Palace, und ich hänge nicht an der Nadel. Er hat mir Geld gegeben. Einen Haufen Geld. Ich habe keine Ahnung, wo er das herhat, aber es ist mir auch egal. Es ist mehr Geld, als ich je auf einmal gesehen habe. Es ist in so ‘nem Koffer, einem Metallkoffer. Er hat es mir gegeben und gesagt, ich soll für ihn darauf aufpassen und mich bedienen, wenn ich was brauche. Es war richtig unheimlich. Irgendwie … ich weiß nicht … wie sein Letzter Wille oder sein Testament oder so.«
    Unwillkürlich zog ich eine Augenbraue hoch und sah sie fragend an. Sie registrierte das, überlegte kurz und antwortete dann.
    »Ich vertraue dir, Lin. Du bist der Einzige in dieser Stadt, dem ich vertraue. Das Komische ist – Abdullah hat mir dieses viele Geld gegeben und so, und ich glaube, auf eine ziemlich wahnwitzige Weise liebe ich ihn auch, aber ich vertraue ihm nicht. Ist das nicht schlimm, so was über den Mann zu sagen, mit dem zusammen ist?«
    »Nein.«
    »Vertraust du ihm?«, fragte sie mich.
    »Vollkommen.«
    »Warum?«
    Jetzt zögerte ich. Die richtigen Worte wollten sich nicht einfinden. Wir aßen zu Ende, dann schoben wir unsere Stühle ein wenig zurück und blickten aufs Meer hinaus.
    »Wir haben einiges zusammen erlebt«, sagte ich schließlich. »Aber das allein ist es nicht. Ich habe ihm schon vorher vertraut. Ich weiß nicht genau, woran es liegt. Wahrscheinlich traut man als Mann einem anderen, wenn man genug von sich selbst in ihm wiederfindet. Oder vielleicht auch, wenn man beim anderen Eigenschaften sieht, die man selbst gern hätte.«
    Wir schwiegen eine Weile und hingen unseren dunklen Gedanken nach, zwei Menschen, die jeweils auf ihre Weise störrisch das Schicksal herausforderten.
    »Bist du so weit?«, fragte ich schließlich. Sie nickte. »Dann auf zum Film!«
    Wir folgten den schwarzen Übertragungskabeln, die sich von den Generatorenwagen vor dem Hotel aus über den Boden schlängelten. Sie führten uns durch einen Seiteneingang an Scharen geschäftiger Assistenten vorbei in den Bankettsaal, der als Set angemietet worden war. Der Raum war voller Menschen, starker Scheinwerfer, blendender Reflektoren, Kameras und anderem Equipment. Wenige Sekunden nachdem wir eingetreten waren, rief jemand Ruhe bitte! – und schon begann eine wilde Musiknummer.
    Bollywoodfilme sind nicht jedermanns Sache. Mir hatten Ausländer schon öfter gesagt, sie fänden das wirre Durcheinander aus Musikeinlagen, weinenden Müttern, seufzenden Verliebten und brüllenden Bösewichtern unerträglich. Ich konnte das verstehen, empfand es aber ganz anders. Ein Jahr zuvor hatte Johnny Cigar einmal zu mir gesagt, dass ich in meinem früheren Leben mindestens sechs verschiedene indische Persönlichkeiten gewesen sein musste. Ich hatte das als Kompliment aufgefasst, aber erst, als ich die Dreharbeiten zu einem Bollywoodfilm miterlebte, verstand ich, was er meinte – und zwar ganz genau. Ich fand das Singen und Tanzen und die Musik vom ersten Moment an hinreißend.
    Die Produzenten hatten einen Zweitausend-Watt-Verstärker gemietet. Die Musik schmetterte durch den Bankettsaal und fuhr uns in die Knochen. Die Farben schienen aus einem tropischen Meer zu stammen. Zahllose Lampen blendeten uns wie Lichtreflexe auf einem sonnenbeglänzten See. Die Gesichter der Schauspieler waren so schön wie die in Tempelwände gemeißelten Göttergesichter. Und der Tanz, den sie aufführten, war eine rauschhafte Mischung aus leidenschaftlicher Erotik und altehrwürdiger klassischer Kunst. In der zarten Eleganz einer anmutigen Handbewegung oder einem verführerischen Augenzwinkern erfuhren die Liebe und das Leben, das Drama und die Komödie ihren vollkommenen Ausdruck.
    Eine geschlagene Stunde lang sahen wir zu, wie die Tanznummer geprobt, verbessert und schließlich gefilmt wurde. Während der darauf folgenden Pause stellte Kalpana mich Cliff de Souza und

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