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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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sich selbst überlassen. Bei einem Treffen, das ich in Kinshasa in Zaire arrangierte, zahlte mir dieser Mann zweihunderttausend Dollar für zwei Bücher, einen makellosen Schweizer Pass und einen jungfräulichen Blanko-Pass aus Kanada, mit denen er dann unbehelligt nach Venezuela ausreiste.
    Abduls Agenten in Südamerika, Asien und Afrika stellten den Kontakt zu Betrügern und Folterern, zu Funktionären und Militärs her, die gestürzte Despoten unterstützt hatten und nun neue Pässe brauchten. Der Umgang mit diesen Männern erfüllte mich mit zorniger Scham, und zwar weitaus mehr als alles andere, was ich je in Khaderbhais Diensten getan hatte oder noch tun sollte. In meinem Leben als junger, freier Mann hatte ich mit großem Engagement Zeitungsartikel und Flugblätter verfasst. Ich hatte Jahre damit zugebracht, die Verbrechen und Schandtaten solcher Männer zu recherchieren und sie öffentlich zu machen. Sogar meine Gesundheit hatte ich aufs Spiel gesetzt, wenn ich mich im Rahmen von Protestaktionen für die Opfer dieser Despoten engagierte und dabei körperliche Auseinandersetzungen mit der Polizei in Kauf nahm. Reste dieses alten Hasses und eine Empörung, die mir fast den Atem nahm, stiegen jedes Mal wieder in mir auf, wenn ich es mit diesen Männern zu tun hatte. Andererseits war jenes alte Leben endgültig vorbei. Der revolutionäre Aktivist hatte seine Ideale im Heroin und in der Kriminalität verloren. Auch ich wurde jetzt gesucht. Auch auf meinen Kopf war ein Preis ausgesetzt. Ich war ein Gangster und lebte immer nur von einem Tag zum nächsten. Und vor Folter und Gefängnis bewahrte mich lediglich die Tatsache, dass ich durch Khaders Mafia-Klan geschützt war.
    Deshalb spielte ich meine Rolle in Ghanis Netzwerk und half Massenmördern, ihrem Todesurteil zu entkommen und einem Schicksal zu entgehen, das sie früher selbst über unzählige Menschen verhängt hatten. Ich half diesen Männern ungern, und ich konnte sie nicht ausstehen, was ich sie auch spüren ließ. Bei den Verhandlungen trieb ich sie in die Enge und fand in der Rage, in die ich sie versetzte, zumindest etwas Trost. Diese Menschenrechtsmissachter feilschten erbittert und wähnten sich in ihrer Selbstgerechtigkeit auch noch im Recht. Ihre Empörung, dass sie so viel von dem Geld, das sie unschuldigen Landsleuten abgepresst hatten, an uns zahlen sollten, war echt. Letztendlich gaben sie jedoch alle klein bei, akzeptierten unsere Bedingungen und rückten große Summen heraus.
    Niemand außer mir in Khaderbhais Netzwerk schien meine Empörung oder meine Scham zu teilen. Es gibt wahrscheinlich keine andere gesellschaftliche Gruppe, die der Politik und den Politikern so zynisch gegenübersteht wie die Berufsverbrecher. In ihren Augen sind alle Politiker rücksichtslos und korrupt, und alle politischen Systeme begünstigen letztendlich die mächtigen Reichen, nicht aber die wehrlosen Armen. Im Laufe der Zeit begann ich diese Sicht in gewisser Weise zu teilen, denn ich wusste, auf welchen Erfahrungen sie gründete. Im Gefängnis hatten wir die Verletzung von Menschenrechten am eigenen Leibe erlebt, und die Gerichte bestätigten Tag für Tag, was wir schmerzhaft über die Justiz gelernt hatten: In jedem Land und in jedem System bekamen die Reichen immer recht, weil sie viel Geld dafür bezahlten.
    Andererseits praktizierten die Kriminellen in Khaderbhais Netzwerk ein solch absolutes Gleichheitsprinzip, dass jeder Kommunist und jeder Gnostiker vor Neid erblasst wäre: Sie interessierten sich nicht für Hautfarbe, Religion, Rasse oder politische Ausrichtung ihrer Kunden, und sie urteilten nicht, wenn sie nach deren Vergangenheit fragten. Jeder Mensch, so unschuldig oder so verwerflich sein Leben auch gewesen sein mochte, wurde allein auf die Frage reduziert: Wie dringend brauchst du das Buch? Die Antwort bestimmte den Marktpreis, und jeder Kunde, der genug Geld besaß, um ihn zu bezahlen, wurde im Moment des Geschäftsabschlusses neu geboren. Dann war er plötzlich wieder ohne Vergangenheit und ohne Sünde. Kein Kunde war besser, keiner schlechter als ein anderer.
    Abdul Ghani, der von einem reinen, amoralischen Glauben an die Kräfte des freien Marktes beseelt war, entsprach den Bedürfnissen all jener Generäle und Söldner, Hinterzieher öffentlicher Gelder und brutaler Folterer ohne die geringste Spur von Empörung oder Tadel. Ihre Freiheit brachte ihm rund zwei Millionen Dollar Reingewinn pro Jahr ein. Doch während er nicht zimperlich war, was

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