Shantaram
Mal an, und dieses Lächeln war wie glitzerndes Sonnenlicht auf Meeresfelsen nach einem Sommerregen.
Man schiebt meist zwei Wochen lang den Affen, aber die ersten fünf Tage sind die schlimmsten. Wenn man die ersten fünf Tage durchsteht, wenn man ohne Drogen in den Morgen des sechsten Tages kriecht, dann weiß man, dass man clean ist und es schaffen wird. In den folgenden acht bis zehn Tagen fühlt man sich von Stunde zu Stunde ein bisschen stärker und besser. Die Krämpfe lassen nach, die Übelkeit verschwindet, Fieber und Schüttelfrost hören auf. Nach einer Weile ist dann die Schlaflosigkeit das Schlimmste. Man wälzt sich nachts ruhelos herum, ohne dass der Schlaf sich einstellt. In diesen letzten Tagen und endlos langen Nächten des Entzugs wurde ich zum Stehenden Baba: Ich blieb so lange stehen, bis die Erschöpfung mich überwältigte, meine Beine nachgaben und ich in Schlaf sank.
Und es geht vorüber, der Affe geht vorüber, und man taucht aus dem Kobrabiss der Heroinsucht auf wie jeder Überlebende einer Katastrophe: benommen, verwundet bis in alle Ewigkeit und froh, am Leben zu sein.
Meine ersten sarkastischen Scherze, zwölf Tage nachdem der Affe begonnen hatte, nahm Nasir zum Zeichen, dass er mit meinem Programm beginnen sollte. Vom sechsten Tag an hatte er kleine Spaziergänge mit mir gemacht, damit ich Bewegung und frische Luft bekam. Beim ersten Spaziergang musste ich ständig stehen bleiben und kehrte nach fünfzehn Minuten ins Haus zurück. Am zwölften Tag gingen wir den ganzen Strand entlang, und ich hoffte, danach so erschöpft zu sein, dass ich schlafen konnte. Schließlich brachte er mich zu dem Stall, in dem Khaders Pferde untergebracht waren. Der Stall, ein umgebautes Bootshaus, befand sich an einer kleinen Straße unweit vom Strand. Die Pferde – ein weißer Wallach und eine graue Stute, große folgsame Tiere – waren an unerfahrene Reiter gewöhnt und wurden während der Hochsaison für Strandausflüge von Touristen eingesetzt. Khaders Verwalter überreichte uns die Zügel, und wir gingen mit den zwei Pferden zu dem flachen festen Sandstrand hinunter.
Kein Tier der Welt kann einen so mühelos der Lächerlichkeit preisgeben wie ein Pferd. Eine Katze lässt einen tollpatschig wirken und ein Hund dämlich, aber ein Pferd schafft das beides zugleich. Und dann teilt es einem auch noch mit einem lässigen Schweifwedeln oder beiläufigen Aufstampfen mit, dass dies mit Vorsatz geschah. Manche Menschen wissen bei einem Pferd auf Anhieb, dass sie sich ihm nahe fühlen und es gut reiten können. Zu diesen Menschen gehöre ich nicht. Eine Freundin von mir hat eine sonderbare antimagnetische Wirkung auf Geräte aller Art: Uhren bleiben stehen an ihrem Handgelenk, Radios knistern und Kopierer versagen, sobald sie in der Nähe ist. Ähnlich verhält es sich bei mir und Pferden.
Der stämmige Afghane machte mir mit den Händen einen Steigbügel, damit ich mich auf den Rücken des Wallachs schwingen konnte, und zwinkerte mir aufmunternd zu. Ich stellte den Fuß in seine Hände und sprang auf den Rücken des weißen Pferdes. Worauf sich das zuvor fügsame und geduldige Tier empört aufbäumte und mich mit gewaltiger Kraft abwarf. Ich segelte über Nasirs Schulter und landete mit dumpfem Krachen auf dem Sand. Der Wallach galoppierte ohne mich davon, und Nasir starrte ihm mit offenem Mund nach. Das Tier ließ sich erst wieder beruhigen und in meine Nähe bringen, als Nasir ihm einen Sack über den Kopf zog.
Dieses Erlebnis war der Beginn von Nasirs zögerlichem und widerstrebendem Anerkennen der Tatsache, dass ich niemals etwas anderes als der katastrophalste Reiter sein würde, der ihm je begegnet war. Diese Enttäuschung hätte seine Verachtung für mich endgültig vervollkommnen können, doch das Gegenteil trat ein. In den folgenden Wochen zeigte sich Nasir sehr besorgt, geradezu zärtlich mir gegenüber. Für ihn war diese absolute Unfähigkeit im Umgang mit Pferden eine Art verheerendes Gebrechen, das einen Mann in seinen Augen so bemitleidenswert machte wie jemand, der mit einer schlimmen Behinderung geschlagen war. Und selbst wenn es mir einmal gelang, mehrere Minuten in Folge auf dem Rücken des Pferdes zu verweilen und das Tier durch Schenkelschlagen und Zügelzerren zu manierlichem Schritt im Kreis zu bewegen, kamen Nasir ob meiner fehlenden Anmut dennoch beinahe die Tränen.
Aber ich setzte mein Training hartnäckig fort und absolvierte täglich meine Übungen. Nach einer Weile schaffte
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