Shantaram
Moment die Augen. Meine Nase tropfte, und mein Hals fühlte sich wund und geschwollen an. Ich hatte mir drei Monate lang täglich drei Gramm reines weißes Thai-Heroin verpasst. Der Affe nahte schnell, und ich wusste, dass ich zwei Wochen im Straftrakt der Hölle vor mir hatte.
»Warum?«, fragte ich nach einer Weile.
»Was meinst du damit?«
»Warum hast du mich gesucht? Warum hast du Nasir aufgetragen, mich hierherzubringen?«
»Du arbeitest für mich«, antwortete er lächelnd. »Und ich habe einen Auftrag für dich.«
»Nun, ich fürchte, dem bin ich zurzeit nicht recht gewachsen.«
Die Krämpfe begannen sich im Magen auszubreiten. Ich stöhnte und wandte den Blick ab.
»Ja«, pflichtete er mir bei. »Natürlich musst du zuerst gesund werden. Aber dann, in drei oder vier Monaten wirst du der richtige Mann für diesen Auftrag sein.«
»Was … für ein Auftrag ist das?«
»Eine Mission. Eine Art heiliger Mission, könnte man sagen. Kannst du reiten?«
»Reiten? Vergiss es. Wenn ich den Job auf einem Motorrad erledigen kann – falls ich gesund werde –, kannst du mit mir rechnen.«
»Nasir wird dir das Reiten beibringen. Er ist oder war einer der besten Reiter eines Dorfes, aus dem die besten Reiter der gesamten Provinz Nangarhar kommen. Wir haben Pferde hier, und du kannst am Strand üben.«
»Reiten lernen …«, murmelte ich, während ich mich fragte, wie ich die nächste Stunde und die Stunde darauf und alles danach überleben sollte.
»Oh ja, Linbaba«, sagte er und legte mir lächelnd die Hand auf die Schulter. Ich zuckte zusammen und erschauderte, doch die Wärme seiner Hand schien in mich überzugehen, und ich wurde ruhig. »Man kann Kandahar zurzeit nur mit dem Pferd erreichen, weil alle Straßen vermint und zerbombt sind. Wenn du also mit meinen Männern in Afghanistan in den Krieg ziehst, musst du reiten können.«
»Afghanistan?«
»Ja.«
»Was … wie zum Teufel kommst du auf die Idee, ich würde nach Afghanistan gehen?«
»Ich weiß nicht, ob du es tun wirst oder nicht«, antwortete er mit einem Anflug von Traurigkeit. »Ich selbst werde mich jedenfalls auf diese Mission begeben. Nach Afghanistan – in meine Heimat, in der ich seit über fünfzig Jahren nicht gewesen bin. Und ich lade dich ein – ich bitte dich –, mit mir zu kommen. Die Entscheidung liegt natürlich bei dir. Es ist ein gefährlicher Auftrag, zweifellos. Meine Achtung vor dir wird nicht geringer sein, wenn du dich dagegen entscheidest.«
»Und weshalb gerade ich?«
»Ich brauche einen Gora, einen Ausländer, der sich nicht davor fürchtet, gegen eine Menge internationaler Gesetze zu verstoßen und der als Amerikaner durchgeht. Wo wir hingehen werden, gibt es viele rivalisierende Stämme, die sich seit Jahrhunderten bekämpfen. Seit jeher überfallen sie einander und rauben sich aus. Nur zwei Dinge einen sie zurzeit – ihre Liebe zu Allah und ihr Hass auf die russischen Eindringlinge. Derzeit sind ihre Hauptverbündeten gegen die Russen die Amerikaner. Sie kämpfen mit amerikanischem Geld und amerikanischen Waffen. Wenn ich in Begleitung eines Amerikaners auftrete, werden sie uns passieren lassen, ohne uns Schwierigkeiten zu machen oder uns auszuplündern.«
»Warum suchst du dir keinen Amerikaner – einen echten, meine ich?«
»Ich habe es versucht. Ich habe keinen gefunden, der verrückt genug ist, das Wagnis einzugehen. Deshalb brauche ich dich.«
»Was schmuggeln wir bei dieser Mission?«
»Das Übliche, was in einem Krieg vonnöten ist – Waffen, Sprengstoff, Pässe, Geld, Gold, Ersatzteile und Medikamente. Es wird eine interessante Reise werden. Wenn wir es geschafft haben, an den bewaffneten Klans vorbeizukommen, ohne dass man uns ausraubt, werden wir unsere Fracht einer Einheit von Mudjahedin übergeben, die Kandahar belagern. Sie kämpfen dort schon seit zwei Jahren gegen die Russen und brauchen den Nachschub.«
Hunderte von Fragen wanden sich in meinem Kopf, aber der Affe machte mich fertig. Meine Haut war mit kaltem fettigem Schweiß bedeckt, und als ich die Worte endlich hervorbrachte, klangen sie gehetzt und zittrig.
»Warum tust du das? Warum gehst du ausgerechnet nach Kandahar?«
»Die Mudjahedin – die Männer, die Kandahar belagern – gehören meinem Stamm an. Sie kommen aus meinem Dorf und auch aus Nasirs Dorf. Sie kämpfen einen Jihad, einen heiligen Krieg, um die russischen Invasoren aus ihrer Heimat zu vertreiben. Wir haben sie auf vielerlei Art unterstützt, bis jetzt. Doch nun
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