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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Bein gingen, und sie Stunde um Stunde, Tag um Tag empfinden. Und man sollte an alle seelischen Schmerzen denken, die man durchlitten hat. Den Tod eines geliebten Menschen. Die Zurückweisung durch einen Menschen, den man liebt. Sich erinnern an Versagen, Scham und bitterste Reue. Und all diese Gefühle sollte man auch zusammennehmen, das ganze herzzerreißende Leid, und es Stunde um Stunde, Tag um Tag empfinden. Das ist der Affe. Der Affe ohne Heroin fühlt sich an, als sei einem die Haut heruntergerissen worden.
    Die Attacke der Angst auf die ungeschützte Seele, auf das Hirn, das seiner natürlichen Endorphine beraubt wurde, treibt Männer wie Frauen zum Wahnsinn. Jeder Fixer, der den Affen schiebt, ist wahnsinnig. Dieser Irrsinn ist so gnadenlos und grausam, dass manche daran sterben. Und während wir im Irrsinn dieser gehäuteten quälenden Welt leben, begehen wir Verbrechen. Wenn wir überleben und gesunden und Jahre später an diese Verbrechen denken, fühlen wir uns so erbärmlich, verstört und angewidert von uns selbst wie Menschen, die unter Folter ihre Kameraden und ihr Land verraten haben.
    Nach zwei Tagen und zwei Nächten dieser Qualen wusste ich, dass ich es nicht schaffen würde. Das Erbrechen und der Durchfall hatten nachgelassen, aber die Schmerzen und die Angst wurden von Minute zu Minute schlimmer. Und unter den Schreien in meinem Blut raunte eine Stimme beständig: … du kannst was dagegen tun … du kannst was dagegen tun … nimm das Geld … hol dir einen Schuss … du kannst den Schmerzen Einhalt gebieten …
    Nasirs Liege aus Bambus und Kokosfasern stand an der anderen Wand. Ich stolperte darauf zu, unablässig beobachtet von dem stämmigen Afghanen, der auf seiner Matte an der Tür hockte. Stöhnend und zitternd zerrte ich die Liege näher an die Fensterfront. Ich griff nach einem Laken und begann mit den Zähnen daran zu ziehen. Es gab an ein paar Stellen nach, und ich riss es in Streifen. Fahrig und kurz vor der Panik, warf ich zwei dicke bestickte Decken auf die Liege, die als Matratze dienen sollten, und ließ mich darauf fallen. Mit zwei Stoffstreifen band ich meine Fußgelenke am Bett fest, mit einem weiteren mein linkes Handgelenk. Dann legte ich mich hin und blickte zu Nasir hinüber. Ich hielt ihm den vierten Stoffstreifen hin und bat ihn mit den Augen, meinen anderen Arm festzubinden. Es war das erste Mal, dass wir uns beide mit einem aufrichtigen Blick ansahen.
    Er stand auf und kam näher, starrte mich weiter unverwandt an. Dann nahm er mir den Stoffstreifen aus der Hand und band mein rechtes Handgelenk am Bett fest. Mir entfuhr ein panischer Angstschrei, gefolgt von einem zweiten. Ich biss mir so fest auf die Zunge, dass mir Blut über die Lippen rann. Nasir nickte langsam. Er riss noch einen Stoffstreifen ab und drehte ihn auf. Dann steckte er ihn mir zwischen die Zähne und band den Knebel hinter meinem Kopf fest. Und ich biss auf den Teufelsschwanz. Und schrie. Und wandte den Kopf, um mein Spiegelbild im Fenster zu sehen, an die Nacht gebunden. Und eine Weile war ich Modena, der wartete und zuschaute und mit meinen Augen schrie.
    Zwei Tage und zwei Nächte lang war ich an das Bett gefesselt. Nasir pflegte mich fürsorglich und verlässlich. Er war immer da. Jedes Mal, wenn ich die Augen aufschlug, spürte ich seine raue Hand auf der Stirn, wenn er mir Schweiß und Tränen fortwischte. Jedes Mal, wenn der Schmerzblitz mir in den Arm, ins Bein, in den Magen fuhr, war Nasir zur Stelle und massierte Wärme in den Schmerzknoten. Jedes Mal, wenn ich wimmerte oder in den Knebel schrie, starrte er mir in die Augen, sagte mir mit dem Blick, ich solle stark bleiben und durchhalten. Er nahm mir den Knebel ab, wenn ich an Erbrochenem würgte oder nicht mehr durch die Nase atmen konnte, aber er war ein starker Mann, der wusste, dass es mir nicht recht war, wenn man meine Schreie hörte. Sobald ich nickte, knebelte er mich aufs Neue.
    Und dann, als ich spürte, dass ich entweder stark genug war, hierzubleiben, oder aber zu schwach, um abzuhauen, nickte ich Nasir zu und blinzelte, und er nahm mir den Knebel zum letzten Mal ab. Dann löste er die Fesseln an meinen Armen und Beinen. Er brachte mir eine Hühnersuppe mit Gerste und Tomaten, die nur mit Salz gewürzt war. Es war das Köstlichste, was ich je in meinem Leben zu mir genommen hatte. Löffel um Löffel flößte Nasir mir die Suppe ein. Nach einer Stunde, als ich die kleine Schale leer gegessen hatte, lächelte er mich zum ersten

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