Shantaram
ich zwanzig Runden zu je dreißig Liegestütze, mit nur einer Minute Pause zwischen den Runden. Danach machte ich täglich fünfhundert Situps, joggte fünf Kilometer und schwamm vierzig Minuten im Meer. Nachdem ich dieses Programm drei Monate lang durchgezogen hatte, war ich kräftig und fit.
Nasir wollte, dass ich Erfahrung mit Reiten in unebenem Gelände bekam, weshalb ich Chandra Mehta bat, einen Termin für uns auf der Ranch der Film City zu vereinbaren. In vielen der großen Spielfilme kamen Reitszenen vor. Die Pferde wurden von Männern betreut, die auf dem weitläufigen hügeligen Gelände lebten, Stunts übernahmen und in Actionszenen auftraten. Diese Tiere waren exzellent dressiert, doch keine zwei Minuten nachdem Nasir und ich die braunen Stuten bestiegen hatten, die man uns zur Verfügung stellte, schleuderte mein Pferd mich in einen Stapel Tontöpfe. Nasir griff nach den Zügeln meines Pferds und schüttelte mitfühlend den Kopf.
»Hey, super Stunt, yaar !«, rief mir einer der fünf Stuntmen zu, die mit uns ritten. Die ganze Gruppe lachte, und zwei sprangen von ihren Pferden, um mir aufzuhelfen.
Zwei Stürze später, als ich lädiert wieder aufstieg, hörte ich eine vertraute Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah eine Gruppe Reiter auf mich zukommen. Der Anführer, der Ähnlichkeit mit Emiliano Zapata hatte, trug einen schwarzen Cowboyhut mit Kordel im Nacken.
»Mann, wusste ich doch, dass du’s bist!«, schrie Vikram. Er lenkte sein Pferd neben meines und schüttelte mir herzlich die Hand. Seine Gefährten schlossen sich Nasir und den Stuntmen an und ließen uns alleine.
»Was machst du denn hier?«
»Mir gehört das hier alles, Mann!« Vikram breitete die Arme aus. »Na ja, nicht ganz. Lettie hat mit Lisa als Partner einen Anteil gekauft.«
»Mit meiner Lisa?«
Vikram zog eine Augenbraue hoch.
»Deiner Lisa?«
»Na ja, du weißt, wie ich das meine.«
»Klar«, sagte er und grinste breit. »Lettie und sie haben zusammen diese Casting-Agentur – die ihr beide miteinander eingefädelt habt. Und es läuft echt gut, Mann. Die beiden bringen’s echt zusammen. Und ich hab dann beschlossen, auch noch mit einzusteigen. Dein Freund Chandra Mehta hat mir gesagt, dass es eine Aktie gibt für den Stuntstall. Scheint doch wie für mich gemacht, oder?«
»Klarer Fall, Vikram.«
»Na ja, ich hab ein bisschen Kohle hier reingesteckt, und jetzt bin ich jede Woche hier. Morgen mach ich als Komparse bei einem Film mit! Da kannst du dir anschauen, wie ich abgeknallt werde, Bruder!«
»Verlockendes Angebot«, sagte ich und stimmte in sein Lachen ein. »Aber ich werde eine Weile nicht in der Stadt sein.«
»Ach ja? Wie lange?«
»Ich weiß noch nicht genau. Einen Monat, vielleicht auch länger.«
»Dann kommst du aber wieder?«
»Ja, klar. Mach ein Video von dem Stunt. Wenn ich zurückkomme, rauchen wir was und schauen uns in Zeitlupe an, wie sie dich umlegen.«
»Ha! Abgemacht! Komm, lass uns zusammen reiten, Mann!«
»Nein, nein!«, rief ich entsetzt. »Ich kriege dieses Pferd hier niemals dazu, mit dir zu reiten, Vikram. Ich bin der schlechteste Reiter, den du je gesehen hast. Von dem hier bin ich schon dreimal abgeworfen worden. Ich bin schon froh, wenn ich es dazu bringen kann, auf einer graden Linie zu gehen.«
»Ach, komm schon, Lin, Bruder! Ich sag dir was: Ich leih dir meinen Hut. Das klappt immer, Mann. Es ist ein Glückshut. Du hast nur Probleme, weil du keinen Hut hast.«
»Ich … ich glaube nicht, dass es mit dem Hut getan ist, Mann.«
»Es ist wirklich ein magischer Hut, Mann, ich sag’s dir!«
»Du hast mich noch nicht reiten sehen.«
»Und du hast den Hut noch nicht getragen. Mit dem wird alles gut. Außerdem bist du ein Gora. Ich will dich nicht beleidigen, weil du weiß bist, yaar, aber das hier sind indische Pferde, Mann. Du musst denen einfach nur ein bisschen indischen Stil bieten, das ist alles. Sprich Hindi mit ihnen und tanz ein bisschen, du wirst sehen, was das ausmacht.«
»Nichts, meine ich.«
»Aber sicher doch, Mann. Komm, steig ab und tanz mit mir.«
»Was?«
»Na komm schon, tanz mit mir.«
»Ich werde nicht für diese Pferde tanzen, Vikram«, erwiderte ich so entschieden und würdevoll, wie es mir bei dieser absurden Äußerung möglich war.
»Aber natürlich wirst du! Du wirst jetzt mit mir absteigen und ein bisschen indische Magie tanzen. Die Pferde müssen diesen coolen indischen Schweinehund sehen können, der in deiner angespannten weißen Haut
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