Shaolin - Du musst nicht kämpfen, um zu siegen!: Mit der Kraft des Denkens zu Ruhe, Klarheit und innerer Stärke
aufgefordert habe, ausgerechnet eine solche Geschichte erzähle.
Tut denn der Mönch nicht genau etwas, das wir eben nicht tun sollen? Nichts tun und warten? Hätte er nicht voller Entschlossenheit auf den Samurai losstürmen sollen und zumindest versuchen, sein Leben im Kampf zu retten? Nein. Genau das hätte in diesem Fall seinen sicheren Tod bedeutet.
Rekapitulieren wir die Geschichte noch einmal. Ein Zen-Mönch, der noch nie ein Schwert geführt hat, steht einem sehr erfahrenen Meister im Schwertkampf gegenüber. Er kann einen konventionellen Kampf unter keinen Umständen für sich entscheiden. »Bleib gelassen«, hat ihm sein Meister geraten, »fürchte dich nicht, und tue nichts.« Er befolgt den Rat und ebendiese Gelassenheit, dieses Nicht-Tun, das den Samurai zu einem falschen Urteil verleitet, rettet dem Mönch schließlich das Leben. Er hat einfach die Positionen vertauscht und damit den Samurai zum Handeln gezwungen. Wer aber jetzt meint, der Mönch hätte einfach nichts getan und deshalb gesiegt, der irrt.
Das Shaolin-Prinzip der Gelassenheit lehrt uns, dass auch das bewusste Nicht-Tun ein wirksames Mittel zu unserer Verteidigung sein kann. Wenn wir es denn mit der richtigen Entschlossenheit einsetzen.
Die Kunst der Selbstbeherrschung
Echte Gelassenheit ist eine Fähigkeit, die den meisten Menschen im Laufe ihres Lebens abhandenkommt. Viele beginnen zu reagieren, bevor sie überhaupt noch die gesamte Situation kennen. Sei es aus Zorn, Gewohnheit oder vorauseilendem Gehorsam. Wer aber keine Gelassenheit in sich hat, ist berechenbar. Man hört oft im Zusammenhang mit der asiatischen Kampfkunst, dass die Kämpfer die Kraft des Gegners gegen diesen selbst verwenden.
Speziell wenn der Gegner aufgebracht oder gerade so richtig zornig ist, kann die eigene Gelassenheit zu einer sehr mächtigen Waffe werden. »Kannst du nicht erkennen, wie der Gegner herauskommen will, brauchst du nur einen plötzlichen Ausfall gegen ihn zu unternehmen, und er wird dir mit seinem Langschwert zeigen, welches seine wahren Absichten sind«, schreibt Musashi.
Ein Ausfall bedeutet in diesem Fall übrigens keinen Angriff, sondern einen schnellen Schritt in Richtung des Gegners. Ein Bluff also. Wäre der Gegner aber wirklich gelassen, bereit, auf die Situation eben in der Situation zu reagieren und nicht nach einem vorher festgelegten Plan zu handeln, gäbe es auch nichts, was er verraten könnte. Ein Ausfall in seine Richtung ist ja keine tatsächliche Bedrohung und daher kein Grund für irgendeine Reaktion. Er könnte reglos dastehen und gelassen erkennen, dass offensichtlich Sie nicht wissen, was er vorhat. Mit diesem Wissen könnte er dann selbst agieren. In Wirklichkeit ist die Sache aber umgekehrt. Ihr Gegner hat einen Plan und wartet nur auf ein Signal oder einen Grund, diesen auszuführen. Würde sich die Situation auch ändern, er hätte keinerlei Möglichkeit mehr, seine Handlungen anzupassen. Zu sehr ist er auf seine Vorgehensweise konzentriert.
Den Gegner aus der Reserve locken
Im Shaolin Kung-Fu kennt man Täuschungsmanöver, die ich als »Scheinangriffe« bezeichne. Das bedeutet aber nicht, nur so zu tun, als würde man zuschlagen, sondern den Gegner aus der Reserve zu locken und ihn zu einem Fehler zu provozieren.
Nehmen wir an, der Kämpfer möchte seinem Kontrahenten mit der rechten Faust gegen die Brust schlagen. Tut er das direkt, wird der andere die Absicht erkennen und den Schlag abwehren. Der Angreifer muss also die mangelnde Gelassenheit seines Gegners nutzen.
Mit der linken Hand führt er einen in Wirklichkeit sehr leichten Schlag gegen den Kopf seines Gegenüber. Dieser verliert daraufhin die Ruhe und wird versuchen, den hoch geführten Schlag abzuwehren. Dabei gibt er die Deckung seines Brustbereiches auf. Genau dort trifft ihn dann der hart geführte Schlag der Rechten. Natürlich kann man diese Technik nicht nur im Faustkampf anwenden.
Auch wer bei der Abwehr gezwungen wird, emotional zu handeln, erleidet daher fast immer eine Niederlage.
Jede Verteidigung aus einer Emotion heraus vernebelt den Blick auf die wahren Absichten des Angreifers.
Gute Kämpfer wenden die Technik der »Scheinangriffe« an, wo immer es möglich ist. Sie bringen ihre Gegner in eine Situation, wo diese sich emotional verteidigen wollen und ihre Gelassenheit verlieren.
Sagen wir beispielsweise, ich möchte wissen, wo Sie den gestrigen Abend verbracht haben, Sie möchten es mir aber nicht sagen. Eine direkte Frage würden
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