Shaolin - Du musst nicht kämpfen, um zu siegen!: Mit der Kraft des Denkens zu Ruhe, Klarheit und innerer Stärke
Sie also erkennen und sofort abblocken. Daher beschuldige ich Sie einer beliebigen Sache, die ich frei erfinde. Ich könnte zum Beispiel behaupten, Sie hätten mit Ihrem Auto irgendwo ein anderes beschädigt. Mit echter Gelassenheit würde ich sagen, dass es »mir ja egal ist, was da wirklich war. Irgendein Zeuge behauptet eben, dass Sie da wo hineingefahren sind.«
Die Diskussion, bei der Sie meinen, Sie wären es nicht gewesen, würde sich aufheizen:
Wer sonst sollte es denn gewesen sein? Sie sind eben ein schlechter Autofahrer.
Nein, sind Sie nicht.
Natürlich sind Sie das. Sonst wäre das ja nicht passiert.
Bis Sie mir dann irgendwann erklären, dass Sie es nicht gar nicht gewesen sein können, weil Sie den ganzen Abend über bei XY waren. Der wohnt schließlich so nahe, dass Sie das Auto gar nicht brauchen, um dorthin zu kommen. Sie sind also gestern nicht gefahren. »Ach, bei XY waren Sie?« Gewonnen. Das Auto ist ab jetzt kein Thema mehr.
Jede Täuschung beruht darauf, dass der Gegner die Nerven verliert und urteilt, bevor er die Tatsachen kennt. Selbst wenn Sie wirklich mit dem Auto einen Schaden verursacht hätten, könnte mir das völlig egal sein und ginge mich nichts an. Wären Sie gelassen geblieben und auf meinen Scheinangriff nicht eingestiegen, hätten Sie gesagt: »Dann wird ja der Betroffene wohl Anzeige erstattet haben! Ich weiß, dass ich es nicht gewesen bin.« Und ich hätte nichts weiter erfahren.
Ein Busfahrer hat mir einmal erzählt, dass er mit seinem Bus auf einer sehr steilen Straße bergauf anhalten musste. Als er wieder anfahren möchte, rutscht, warum auch immer, der Bus ein kleines Stück zurück, und der Fahrer hört das schlimme Geräusch von splitterndem Glas. Er schaut in den Rückspiegel und sieht hinter seinem Bus einen Mercedes mit zerbrochenem Blinkerglas und beschädigter Stoßstange. Er steigt aus, überlegt, wie er dem anderen seinen Fehler erklären wird, und geht nach hinten zu dem beschädigten Auto. Als er gerade mit seiner Entschuldigung beginnen möchte, den Sekundenbruchteil bevor er den Mund aufmachen kann, setzt der Lenker des Mercedes an und sagt: »Wissen Sie, es tut mir schrecklich leid. Ich wollte bergauf anfahren und bin da von der Kupplung abgerutscht und von hinten in Ihren Bus hinein …«
Aufgeben vor dem Kampf
Eine andere Erscheinungsform der Nichtgelassenheit ist der vorauseilende Gehorsam, der Menschen oft in größte Schwierigkeiten bringen kann. Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem Zug und merken, dass sich der Schaffner Ihrem Platz nähert. Eigentlich ist er in Eile und ohne Interesse, die Fahrausweise zu kontrollieren, da der Zug bereits den Endbahnhof erreicht. Sie aber beginnen in Ihrer Tasche zu kramen, um Ihre Monatskarte zu zeigen. Plötzlich bemerken Sie, dass Sie diese zu Hause vergessen haben.
Da Sie das Interesse des Schaffners geweckt haben, bleibt er jetzt stehen, will den Ausweis sehen und kassiert eine empfindliche Strafe. Wären Sie gelassen geblieben, der Schaffner wäre an Ihnen vorbeigegangen, und Sie hätten sich eine teure Lektion gespart. Denn schwarzgefahren sind Sie ja nicht.
Die Angst des Gegners zur Waffe machen
Ein wirklich guter Kämpfer kann aber aus der fehlenden Gelassenheit der meisten seiner Mitmenschen noch weit mehr herausholen. Er muss dazu selbst nicht einmal wirklich etwas tun. Er nutzt einfach die Angst seiner Kontrahenten. Natürlich ist Angst manchmal wichtig, aber in den meisten Fällen ist sie Ihr größter Feind.
Gehen wir nochmal zurück in unseren Zug. Gehen wir diesmal davon aus, dass Sie wissen, dass Ihre Monatskarte zu Hause liegt. Ohne dieses Wissen würden Sie den Schaffner gelassen kommen und gehen sehen und er Sie genauso dort sitzen. So aber wird er Ihre Angst vor seiner Kontrolle bemerken. Er wird Ihre Nervosität sehen und spüren, dass Sie offensichtlich etwas zu verbergen haben. Ein freundliches »Darf ich mal Ihren Fahrausweis sehen, bitte …?« wäre die logische Folge.
Wo es um Angst geht, sind wir Menschen den Tieren sehr ähnlich. Wir riechen sie förmlich. Ein riesiger Elefant lässt sich von einem kleinen Menschen dirigieren, solange der keine Angst zeigt. Zeigt aber der gleiche Mensch einem kleinen Hund, dass er sich vor ihm fürchtet, wird das Tier plötzlich laut, aggressiv und gefährlich. Ähnlich verhält es sich mit Menschen, die grundlos drohen, sich beim Vorgesetzten zu beschweren. Was diese hören möchten, ist ein ängstliches »Bitte, tun Sie das nicht«.
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