Shaos Todeswelt
verschwand, und ein anderes Bild baute sich auf.
Shao erkannte eine Lücke in der Felswand: eine Schlucht.
Das war schon mal ein Weg, von dem sie hoffte, dass er sie zu dem großen Ziel brachte.
Sie glitt in die Schlucht hinein. Das Spiel war wirklich gut gemacht. Als Zuschauerin überkam sie der Eindruck, mitten in der Schlucht zu sein und sie auch zu durchschweben. Die Musik hatte an Lautstärke gewonnen. Sie blieb aber auch weiterhin düster und hörte sich nun noch bedrohlicher an.
Shao war fasziniert. Es gab keinen Punkt, an dem sie das Bild hätte verändern können. Der Weg in die Schlucht ging weiter, und er würde sie irgendwann zu einem Ziel bringen.
Das Ende war nun zu sehen. Es zeichneten sich längere Schatten ab, die mit dem Boden verwachsen zu sein schienen.
Ein Gitter!
Es bildete das Ende.
Aber der Spieler musste weiterkommen, das wusste Shao auch. Das Gitter ließ sich öffnen, davon war sie überzeugt, und sie konnte auch durch die Stäbe schauen, während der Pfeil an ihnen entlangfuhr und Shao den Punkt der nächsten Veränderung suchte.
Die musikalische Untermalung war leiser geworden, hatte aber durch diesen Ton die Spannung bei Shao erhöht und sogar kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn hinterlassen.
Hinter dem Gitter lag das erste Geheimnis. Sie glaubte nicht daran, dass sie nur durch eine tote Welt surfte. Ein Spiel wie dieses war mit Personen bestückt.
Mit dem Pfeil suchte sie das Gitter ab. Sie ließ sich Zeit dabei - und klickte, als sie die Verwandlung in die kleine Untertasse wahrnahm.
War es so leicht?
Ja, das Gitter öffnete sich. Shao hörte die ächzenden und knarrenden Geräusche.
Es schwang unwillig zur Seite und sorgte damit für eine Veränderung der Perspektive. Shao sah, was sich hinter dem Tor befand.
Ein alter Friedhof?
Shao ließ die Maus los. Sie wollte diesen Eindruck in sich aufnehmen. Der Boden war dunkel und staubig. Aus ihm hervor ragten kantige Steine, die an Grabsteine erinnerten. Erst jetzt glaubte Shao daran, dass sie die Welt der Toten betreten hatte. Der Friedhof war von hohen Felsen umgeben.
Ihre Finger berührten wieder die Maus.
Die Reise ging weiter.
Shao sorgte dafür, dass sich der Pfeil über die Gräber hinwegbewegte. Sie lauerte jetzt auf den Punkt, an dem die Veränderung stattfand. Dort musste es dann weitergehen.
Aber es war auch Geduld nötig, denn zunächst passierte einfach nichts. Es ließ sich auch kein Vogel blicken, den Shao auf dem Titelbild gesehen hatte. Die Musik war kaum zu hören. Sie hätte sich wirklich schon darauf konzentrieren müssen, um sie überhaupt verstehen zu können.
Das Grab im Hintergrund. Nicht weit von der felsigen Grenze dieses Gebiets entfernt. Der Pfeil wandelte sich um. Shao biss sich auf die Unterlippe.
Sie drückte auf die Maus!
Das Bild verschwand. Nur eines blieb. Das Grab, das sich Shao ausgesucht hatte. Glockenklang…
Nicht hell, sondern alt und irgendwie gefährlich. Ein sehr dumpfes Geläut sorgte dafür, dass der Spieler auf etwas Neues vorbereitet wurde.
Shao starrte das Grab an, den rissigen Untergrund und den verwitterten alten Stein.
Mehr war nicht passiert?
Sie zeigte sich schon ein wenig enttäuscht und wollte weitermachen, als die Musik sich noch mehr zurückzog, um einer anderen Geräuschkulisse Platz zu schaffen.
Schreie…
Weit, sehr weit entfernt. Vielleicht auch tief, denn Shao konnte sich vorstellen, dass die Schreie aus der Erde, möglicherweise sogar aus dem Grab, erklangen.
Sie schluckte, feuchtete ihre Lippen an und räusperte sich die Kehle frei. Die Schreie hatten sie tatsächlich irritiert. Dann fasste sie wieder den klaren Gedanken und sagte sich, dass jemand, der so schrie, dies nicht ohne Grund tat. Shao glaubte ihn zu kennen. Diese Person war eine Gefangene und wartete darauf, dass sie von dem Spieler endlich aus dem Gefängnis befreit wurde. Das wollte Shao auch tun.
Sie spielte mit der Maus. Schob sie vorsichtig hin und her. Dabei durchstreifte der Pfeil den Grabstein und dessen unmittelbare Umgebung. Shao brauchte den Zugang.
Die Wandlung fand dort statt, wo Grabstein und Boden zusammentrafen. Genau in diesem rechten Winkel.
Shao lächelte, drückte den Kontakt und wartete gespannt, was sich nun ereignete. Das Grab zitterte.
Ein Rumoren aus der Tiefe. Sie konnte sich vorstellen, dass die Platte plötzlich vor ihren Augen explodierte und in die Höhe geschleudert wurde.
Nichts dergleichen geschah. Dafür bewegte sich der Grabstein. Er drehte sich
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