Shardik
sagen, er werde, wann immer er nach Norden marschierte, ob er nun Bekla eroberte oder nicht, bei der Annexion Zerays willkommen sein. Wir würden ihm in jeder von ihm gewünschten Weise behilflich sein. Insbesondere würden wir ihm helfen, den Durchlaß bei Linsho im Norden zu schließen und dann alle Sklavenhändler zu fangen, die auf der Flucht vor ihm östlich über den Vrako kämen. Wir würden ihm auch sagen, man könne unserer Ansicht nach mit geschickten Seilern und Zimmerleuten und den Arbeitskräften seiner Pioniere unter deren Führung eine Floßfähre über die Engstelle des Telthearnas bauen. Wenn dann alles klappte, könnte er eine Straße von Kabin nach Zeray anlegen, und wir würden auch diese Unternehmungen, falls sie ihm zusagten, auf jede uns mögliche Weise unterstützen. Schließlich würden wir ihm, wenn er keine Angst davor hätte, Leute aus Zeray zu verwenden, so viele wie möglich schicken, vorausgesetzt, er würde ihnen Straffreiheit zusichern.
Die fünf oder sechs Männer, die der Baron seine Ratgeber nannte, erkannten, daß dieses Angebot unsere größte Hoffnung auf Überleben in oder außerhalb von Zeray darstellte, wenn nur die Männer aus Yeldashay bereit wären zu kommen. Es würde aber schwierig sein, Santil eine Botschaft zu schicken. Es gibt nur zwei Wege aus dem Land östlich des Vrakos. Der eine im Norden über den Durchlaß von Linsho, der andere im Westen über den Vrako bei Kabin. Unterhalb von Kabin ist der Vrako längs der Grenze von Toniida bis zur Mündung in den Telthearna unpassierbar. Hoffnungslose Menschen finden den Weg nach Zeray, aber sogar völlig Verzweifelte wissen nicht weiter.
Vermutlich würde es sich als unmöglich erweisen, nach Ikat-Yeldashay zu gelangen, dachten wir, aber wir hatten wenigstens einen Mann, der zu dem Versuch bereit war. Er hieß Elstrit, ein Junge von etwa siebzehn Jahren, der seinen Vater nicht verlassen wollte und mit ihm aus Terekenalt geflohen war. Was sein Vater verbrochen hatte, weiß ich nicht, denn er starb, bevor ich nach Zeray kam, und Elstrit schlug sich seither schlecht und recht durch, bis er so klug war, sich mit Bel-ka-Trazet auf Gedeih und Verderb zu verbinden. Er war nicht nur kräftig und schlau, sondern genoß auch den Vorteil, kein bekannter Verbrecher zu sein oder von den Gerichten gesucht zu werden. Ob schlau oder nicht, er mußte doch erst versuchen, den Vrako bei Kabin zu überqueren. Der Baron hatte den Einfall, für ihn eine beklanische Sklavenhandelsgenehmigung zu fälschen. In Kabin sollte er sagen, er arbeite für Lalloc, einen bekannten Kinderhändler, und stehe unter dem Schutz der Ortelganer in Bekla; er habe auf Lallocs Geheiß die Provinz Zeray über den Durchlaß bei Linsho betreten und sei durch das Land gereist, um zu sehen, ob es da Möglichkeiten für einen Raubzug und Sklavenfang gäbe. Nun sei er auf der Rückreise, um Lalloc in Bekla Bericht zu erstatten. Später könnte er dann, sobald er zur Provinz Yelda käme, die gefälschte Genehmigung vernichten. Die Geschichte war fadenscheinig, aber das Siegel auf der Genehmigung war eine sehr gute Nachahmung des beklanischen Bärensiegels (es wurde von einem bekannten Fälscher für uns hergestellt), und wir mußten nur auf etwas Glück hoffen. Elstrit überquerte vor etwa drei Monaten den Vrako, kurz nach Ende der Regenzeit, und was seither aus ihm geworden ist, wissen wir nicht – nicht einmal, ob er jemals nach Ikat gelangte.
Einen Monat später erkrankte der Baron. In Zeray werden viele Leute krank. Kein Wunder – der Schmutz in der Stadt, Ratten, Läuse, Infektionen, dauernde Beanspruchung und Angst, Schuldgefühl und der Verlust aller Hoffnung. Der Baron hatte ein schweres Leben gehabt, und nun siechte er trotz aller Abwehr dahin. Du kannst dir denken, wie wir ihn pflegten, Ankray und ich. Wir waren wie Menschen, die in einer Wildnis voll wilder Bestien nachts ein Feuer unterhalten und um das Morgengrauen beten. Doch das Feuer ging aus – es erlosch.«
Tränen standen in ihren Augen. Sie wischte sie mit einer brüsken Bewegung fort und verbarg ihr Gesicht einen Augenblick in den Händen, dann fuhr sie nach einem tiefen Seufzer fort:
»Einmal sprach er von dir. ›Dieser Kelderek‹, sagte er, ›ich hätte ihn getötet, wenn nicht die Tuginda uns in jener Nacht hätte kommen lassen. Ich wünsche ihm nicht mehr Böses, sondern hoffe um Ortelgas willen, daß er zu Ende führen kann, was er begonnen hat.‹ Einige Tage später sprach er noch zu
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