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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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schreckliche Ancottlia, deren Gift brennt und juckt, bis die Menschen sich das Fleisch mit den Nägeln aufreißen. Steile Stellen hatte man noch steiler gemacht, und an einer Stelle hatte man die Mündung eines Sumpfes eingedämmt und einen – um diese Jahreszeit zusammengeschrumpften – kleinen See gebildet, in dem man junge, auf dem Festland gefangene Alligatoren ausgesetzt hatte, die groß und gefährlich geworden waren. Längs des äußeren Randes verlief der achtzig Meter breite sogenannte »Todesgürtel«, der nie betreten wurde außer von den Leuten, welche ihn instand zu halten hatten. Dort gab es versteckte Fußfallen, die an großen Baumstämmen befestigt waren; verborgene, mit spitzen Pfählen bestückte Gräben – einer davon enthielt Schlangen; Pfähle im Gras; und ein paar harmlos aussehende Pfade führten zu eingeschlossenen Plätzen, die von Plattformen auf den Bäumen aus mit Pfeilen und anderen Schleuderwaffen beschossen werden konnten. Der Gürtel war durch rohe Palisaden unterteilt, so daß ein seitliches Eindringen für vorrückende Feinde erschwert wurde und sie sich darauf beschränken mußten, an Stellen aufzutauchen, wo man sie erwarten konnte. Die ganze Linie und ihre Bestandteile fügten sich so natürlich in die Urwaldumgebung, daß ein Fremder, wenn er auch vielleicht da und dort merken mochte, daß Menschen an der Arbeit gewesen waren, sich kaum eine Vorstellung von ihren Ausmaßen machen konnte. Diese hervorragende Abschirmung einer offenen Flanke, die von dem Großbaron, Bel-ka-Trazet, erdacht und in mehreren Jahren ausgeführt worden war, hatte noch nie einer Prüfung standzuhalten gehabt. Aber ihre mühevolle Errichtung und das Bewußtsein ihrer Existenz hatte, wie Bel-ka-Trazet vielleicht vorausgesehen hatte, den Ortelganern ein Vertrauen und ein Sicherheitsgefühl gebracht, das vielleicht so viel wert war wie die Anlage selbst. Die Linie beschützte nicht nur die Stadt, sondern erschwerte es auch den Einwohnern, sie ohne Wissen des Großbarons zu verlassen.
    Kelderek und Taphro kehrten dem Gürtel den Rücken und wanderten über den schmalen Pfad zwischen den Hanffeldern der Stadt zu. Da und dort trugen Frauen Wasser von den Schilfgürteln hinauf, oder sie düngten den bereits abgeernteten und gesäuberten Boden. Um diese Stunde arbeiteten aber nur wenige, denn es war schon beinahe Essenszeit. Nicht weit entfernt, hinter den Bäumen, kräuselten sich Rauchsäulen zum Abendhimmel empor, und mit ihnen erklang von irgendwoher am Rand der Hütten der Gesang einer Frau:
     
    »Er kam, er kam des Nachts.
    Rote Blumen trug ich im Haar.
    Ich ließ meine Lampe erleuchtet, meine Lampe brennt.
    Senandril na kora, senandril na ro.«
     
    In der Stimme lag eine unverhüllte Wärme und Zufriedenheit. Kelderek warf Taphro einen Blick zu, wies mit einem Kopfnicken in Richtung des Gesanges und lächelte.
    »Hast du Angst?« fragte Taphro mürrisch.
    Der ernste, besorgte Blick saß wieder in Keldereks Augen.
    »Vor den Großbaron zu treten und ihm zu sagen, daß du dich geweigert hättest, dem Shendron zu erzählen, was du weißt? Du mußt verrückt sein! Warum bist du ein solcher Narr?«
    »Weil sich dies nicht zum Verbergen oder Lügen eignet. Gott…« Er brach ab.
    Taphro gab keine Antwort, sondern streckte bloß die Hand nach Keldereks Waffen – Messer und Bogen – aus. Der Jäger reichte sie ihm wortlos.
    Sie kamen zu den ersten Hütten mit ihren Koch-, Rauch- und Abfallgerüchen. Männer kamen von der Tagesarbeit zurück, und Frauen standen in den Türen, riefen ihre Kinder oder plauderten mit Nachbarn. Wenn auch der eine oder andere neugierig Kelderek anblickte, der ruhig neben dem Boten des Shendrons dahinschritt, sprach keiner ihn an oder fragte, wohin er denn ginge. Plötzlich kam ein Kind, ein etwa sieben- oder achtjähriger Junge, herangelaufen und faßte ihn an der Hand. Der Jäger blieb stehen.
    »Kelderek«, fragte das Kind, »kommst du heute abend spielen?«
    Kelderek zögerte. »Nun… ich kann es nicht sagen. Nein, Sarin, ich glaube, heute abend werde ich nicht kommen können.«
    »Warum nicht?« fragte das Kind, sichtlich enttäuscht. »Du hast dich an der Schulter verletzt – deshalb?«
    »Ich muß dem Großbaron etwas erzählen«, sagte Kelderek einfach.
    Ein anderer, älterer Junge, der dazugekommen war, brach in Lachen aus. »Und ich muß vor Sonnenuntergang den Herrn von Bekla aufsuchen – eine Frage von Leben und Tod, Kelderek, fopp uns doch nicht. Willst du heute

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