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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Die Dissertation. Er war ihr Berater und Doktorvater. Sie hatten eine Praxis zusammen in Beverly Hills.«
    »Ist das alles?«
    »Das ist alles.«
    Ich betrachtete sie lange, bis ich beschloss, ihr zu glauben.
    Sie fragte: »Was ist drei?«
    »Wovon handelte die Diss?«
    »Ich sagte doch schon: Ich habe sie nur überflogen.«
    »Aber was stand drin?«
    »Es war etwas über Zwillinge - Zwillinge und multiple Persönlichkeiten und Ego-Integrität, glaube ich. Sie hat eine Menge Fachausdrücke benutzt.«
    »Drei heißt: Machen Sie mir eine Fotokopie.«
    »Kommt nicht in Frage. Ich bin nicht Ihre Sekretärin.«
    »Einverstanden. Bringen Sie sie dorthin zurück, wo Sie sie gefunden haben - wahrscheinlich in der psychologischen Bibliothek der Universität -, und ich mache mir selbst eine Kopie.«
    Sie hob eine Hand. »Ach, was soll’s, zum Kuckuck. Ich ziehe Ihnen morgen eine Kopie.«
    »Keine überraschenden Besuche«, erinnerte ich sie. »Schicken Sie sie mir per Post. Express.«
    Ich schrieb ihr meine Postanschrift auf und gab ihr den Zettel. Sie legte ihn zwischen die Seiten ihres Wambaugh-Buchs.
    »Mist«, sagte sie. »Sind Sie bei Ihren Patienten auch immer so autoritär?«
    Ich sagte: »Wir sind uns einig. Und arbeiten zusammen.« »Sie haben gut reden. Ich soll mich auf Ihre Versprechungen verlassen.«
    Sie machte ein zerknirschtes Gesicht. »Plaudern Sie mal lieber ein bisschen, Dr. Delaware. Ich schreibe meine Story nämlich so oder so.«
    »Wenn ich etwas erfahre, was man veröffentlichen kann, bekommen Sie’s als Erste.«
    »Und noch was«, sagte sie, schon halb zur Tür hinaus. »Ich bin kein verdammter Teenager. Ich bin einundzwanzig. Seit gestern.«
    »Alles Gute zum Geburtstag. Und mögen noch viele weitere hinzukommen.«
     
 
    Nachdem Sie weggefahren war, rief ich in San Luis Obispo an. Robin war dran.
    »Hallo, ich bin’s«, begrüßte ich sie. »Warst du das vor ein paar Minuten?«
    »Wie bist du darauf gekommen?«
    »Die Person, die abgehoben hat, sagte, da wäre eine wütende Frau am anderen Ende der Leitung.«
    »Die Person?«
    »Eine junge Reporterin, die mir wegen eines Interviews auf den Wecker geht.«
    »So um die zwölf?«
    »Einundzwanzig. Vorstehende Oberkieferschneidezähne, Sommersprossen, Lispeln.«
    »Warum soll ich dir glauben?«
    »Weil ich ein Heiliger bin. Es ist toll, von dir zu hören. Ich wollte anrufen - jedes Mal, wenn ich auflege, bedauere ich, wie sich die Unterhaltung entwickelt hat. Denke an all die richtigen Dinge, die ich hatte sagen wollen, aber es ist zu spät.«
    »So ein Gefühl habe ich auch dabei, Alex. Mit dir zu reden ist, als ob man durch ein Minenfeld geht. Als ob wir zusammen eine tödliche Mischung ergeben: Man darf uns nicht zusammenlassen, sonst geht einer von uns in die Luft.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Aber ich glaube fest daran, dass es nicht so sein muss. Denn es war nicht immer so.«
    Sie sagte nichts.
    »Doch, Robin, es war gut.«
    »Natürlich war - vieles wunderbar. Aber es gab immer Probleme. Vielleicht waren es alles meine - ich habe zu viel für mich behalten. Tut mir leid.«
    »Vorwürfe, Selbstvorwürfe helfen nicht. Ich möchte alles besser machen, Robin. Ich bin bereit, daran zu arbeiten und mir Mühe zu geben.«
    Schweigen.
    Dann sagte sie: »Ich bin gestern in Daddys Werkstatt gewesen. Mami hat sie so gelassen, wie sie war, als er starb. Jedes Werkzeug an seinem Platz, wie ein Museum. Das Joseph Castagna Memorial. Sie ist nun einmal so - gibt nie irgendwas auf, handelt nie mit etwas. Ich habe mich eingeschlossen, habe stundenlang dringesessen und den Lack und den Sägemehlstaub gerochen und an ihn gedacht. Dann an dich. Wie ähnlich ihr beide wart: wohlmeinend, liebevoll, aber dominant - so stark, dass ihr alles übernahmt. Alex, er hätte dich gemocht. Es hätte einen Konflikt gegeben - zwei Bullen, die mit den Hufen scharren und schnauben -, aber schließlich hättet ihr beide zusammen lachen können.«
    Sie musste selbst lachen, dann weinte sie.
    »Als ich dasaß, merkte ich, dass etwas von dem, was mich an dir angezogen hatte, diese Ähnlichkeit mit Daddy war. Sogar körperlich: das Kraushaar, die blauen Augen. Als er noch jünger war, sah er hübsch aus, genauso hübsch wie du. Ganz schön profunde Einsicht, was?«
    »Manchmal sieht man so etwas nicht. Gott weiß, was ich alles übersehen habe.«
    »Glaub ich. Aber ich komme mir einfach blöd vor. Ich meine: Da hab ich geredet und geredet über Unabhängigkeit und

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