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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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geschlagen, hat sie richtig demoliert, das arme Ding. Lächeln.
    Er ist ein richtiger Arschtreter, mein Junge.Wird mal eines Tages ernsthaft Schwierigkeiten bekommen. Lächeln.
    Das Tu-was-du-willst,-nicht-wie-ich-will-Lächeln. Als Legitimierung, dass das eigene Kind die anderen misshandelt. Es darf niederschlagen, würgen, kratzen, mit den Fäusten draufloshämmern und vor allen Dingen gewinnen.
    Die Art von elterlichem Fehlverhalten, bei der der Therapeut »hm« zu sagen anfängt und »unangemessener Affekt« auf die Karte schreibt. Und weiß, dass eine Behandlung nicht leicht ist.
    »Die arme Sharon wurde wirklich herumgestoßen«, sagte Mrs. Blalock.
    »Was haben Sie dagegen getan?«
    »Was konnte ich tun? Ich habe versucht, mit ihnen vernünftig zu sprechen - ich sagte zu Sharon, sie müsse sich gegen Sherry zur Wehr setzen, mehr Selbstvertrauen entwickeln. Ich teilte Sherry in recht bestimmten Worten mit, dass es keine Art für eine junge Dame war, sich so zu benehmen. Aber kaum war ich weg, da fielen die beiden wieder in ihre alten Verhaltensweisen zurück. Ich glaube, es war eine Art Spiel zwischen ihnen. Eine stille Übereinkunft.«
    Sie hatte recht damit, aber sie hatte die Spieler verwechselt.
    Sie fuhr fort: »Ich habe die Zeit der Selbstvorwürfe längst hinter mir. Die Natur hat sie so programmiert. Am Ende triumphiert die Natur. Deshalb wird Ihr Fachgebiet nie viel bedeuten.«
    »Gab es irgendetwas Positives an ihrer Beziehung?«
    »Oh, ich nehme an, sie liebten einander.Wenn sie nicht gerade miteinander kämpften, umarmten und küssten sie sich. Und sie hatten ihre eigene kleine Nonsenssprache, die niemand sonst verstand. Und trotz ihrer Rivalität waren sie unzertrennlich - Sherry als Anführerin, Sharon als Anhängsel, sie steckte alles ein. Aber immer der Kampf.Wettstreit um alles.«
    Seltsames Phänomen, spiegelverkehrte eineiige Zwillinge … bei einer identischen genetischen Struktur sollte es überhaupt keine Unterschiede geben …
    »Sherry gewann immer«, sagte sie. Lächeln. »Im Alter von zwei Jahren war sie eine richtige Leuteschinderin und Zuchtmeisterin, eine kleine Theaterdirektorin geworden: Sie sagte Sharon, wo sie zu stehen hatte, was sie zu sagen hatte und wann sie es zu sagen hatte. Wenn Sharon es wagte, nicht zuzuhören, schlug Sherry sie und trat und biss sie. Ich versuchte, sie zu trennen, verbot ihnen, miteinander zu spielen, besorgte ihnen sogar getrennte Nannys.«
    »Wie reagierten sie auf die Trennung voneinander?«
    »Sherry bekam Wutanfälle, zerbrach Sachen. Sharon hockte sich nur in eine Ecke, als ob sie in Trance wäre. Schließlich gelang es ihnen immer, wieder zusammenzukommen. Weil sie einander brauchten. Sie waren nicht vollständig ohne einander.«
    »Stille Partnerinnen«, sagte ich. Keine Reaktion.
    »Ich war immer die Außenseiterin«, sagte sie. »Es war keine gute Situation, für keinen von uns. Sie trieben mich in den Wahnsinn. Dass sie ihre Schwester schlug und damit durchkam, war nicht gut für Sherry - es schadete ihr auch. Vielleicht sogar noch mehr als Sharon - Knochen heilen wieder, aber wenn der Geist einmal verletzt ist, scheint er sich nie mehr richtig zu entwickeln.«
    »Wurden Sharons Knochen wirklich je gebrochen?«
    »Natürlich nicht«, sagte sie, als spräche sie mit einem Idioten. »Ich meinte das im übertragenen Sinne.«
    »Wie ernst waren ihre Verletzungen?«
    »Es war keine Kindesmisshandlung, wenn Sie darauf hinauswollen. Nichts, weswegen wir einen Arzt rufen mussten - Haarbüschel ausgerissen, Bisse, Kratzer. Als Sherry zwei war, wusste sie, wie sie eine hässliche Beule schlagen konnte, aber nichts Ernstes.«
    »Bis zum Ertrinken.«
    Das Glas in ihrer Hand fing an zu zittern. Ich füllte es, wartete, bis sie es ausgetrunken hatte, hielt den Krug bereit. »Wie alt waren die beiden, als es passierte?«
    »Etwas über drei. Der erste Sommer, den wir zusammen anderswo verbrachten.«
    »Wo?«
    »In meinem Haus in Southampton.«
    »Die Klippen.« Nummer eins auf der Liste, die ich gerade im Blauen Buch gelesen hatte. ›Himmelsschwalbe‹ in den Holmby Hills. ›Le Dauphin‹ in Palm Beach. Eine Etagenwohnung in Rom. Ihre richtigen Kinder. »Ein anderes Sonnenzimmer«, sagte ich. »Ein Badehaus mit Gitterwerk.«
    Dass ich es kannte, erschütterte sie noch mehr. Sie schluckte schwer. »Sie scheinen alles zu wissen. Ich sehe wirklich nicht die Notwendigkeit -«
    »Längst nicht alles.« Nachfüllen. Ich lächelte. Sie sah mich dankbar an,

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