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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Machten Betten, putzten.«
    »Woher kamen sie? Ursprünglich?«
    »Aus einem Ort nah den Everglades. Einer unserer Bekannten - ein sehr feiner Doktor - nahm die Schwachsinnigen auf, brachte ihnen ehrliche Arbeit bei, und wie sie sich als gute Bürger zu verhalten hatten. Anständig ausgebildet, wissen Sie, sind es die besten Arbeiter.«
    Alles mit Seifenlauge abgeschrubbt … alle Kleidungsstücke ordentlich gefaltet, die Betten so, dass man Kopf oder Zahl darauf werfen konnte … als hätte jemand ihnen vor langer Zeit die wichtigsten Dinge beigebracht.
    Lebten nah den Sümpfen. Mit all dem Schlamm. Haben sich richtig heimisch gefühlt auf ihrem Dreckplatz. Grüne Suppe …
    »Der Doktor und Henry waren gute Freunde«, sagte sie. »Henry mietete sich für die Landarbeit, Obstpflücken und andere monotone Tätigkeiten, prinzipiell immer Schwachsinnige von Teddy - dem Doktor. Er sah es als unsere Bürgerpflicht an zu helfen.«
    »Und Sie halfen ihnen noch weiter, indem Sie ihnen Sharon gaben.«
    Sie merkte den Sarkasmus nicht und bestätigte: »Ja! Ich wusste, dass sie keine Kinder haben konnten. Shirlee war … sterilisiert. Freddy hatte sie alle sterilisiert, zu ihrem eigenen Guten. Billy sagte, wir würden ihr - ihnen - das größte Geschenk geben, das irgendwer ihnen geben könnte, während wir gleichzeitig unser Problem lösten.«
    »Am Ende hat jeder etwas dabei gewonnen.«
    »Ja. Genauso ist es.«
    »Warum musste es geschehen?«, fragte ich. »Warum nicht Sharon zu Hause behalten und Sherry zu einer Art Behandlung wegschicken?«
    Ihre Antwort klang einstudiert: »Sherry brauchte mich mehr. Sie brauchte wirklich jemanden - die Zeit hat das bewiesen.«
    Zwei Nachkommen im Blauen Buch von 1954 bis 1957, danach nur noch einer.
    Meine Vermutungen hatten sich in Tatsachen verwandelt, die Stücke passten endlich zusammen. Aber mir war schlecht davon wie bei einer schlimmen Diagnose. Ich lockerte die Krawatte, lockerte den Unterkiefer.
    »Was haben Sie Ihren Freunden erzählt?«
    Keine Antwort.
    »Dass sie gestorben war?«
    »Lungenentzündung.«
    »Gab es ein Begräbnis?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wir gaben bekannt, dass wir es im privaten Rahmen lassen wollten. Man respektierte unsere Wünsche. Statt Blumen wurden Spenden an den Fonds für geplante Elternschaft - Tausende von Dollars - eingezahlt.«
    »Noch mehr Gewinner«, sagte ich. Ich hatte Lust, ein bisschen Einsicht in sie hineinzuwürgen. Stattdessen schlüpfte ich unter die Therapeutenmaske, tat so, als wäre sie eine Patientin. Sagte mir, ich müsse sie verstehen, über sie nicht urteilen …
    Aber sogar als ich lächelte, war der Horror in mir. Am Ende nur wieder so ein ekelerregender, schmutziger Fall von Kindesmissbrauch, Grausamkeit aus psychopathologischer Veranlagung: Eine schwache, abhängige Frau verachtet ihre eigene Schwäche, projiziert diese Verachtung auf das Kind, das sie als schwach ansieht. Sieht die Bösartigkeit eines anderen Kindes als Stärke an. Beneidet es darum, und fördert sie:
    Sherry würde so oder so triumphieren.
    Sie bog den Kopf zurück und setzte an, aus dem leeren Glas zu trinken. Ich war kalt vor Wut, spürte etwas Eisiges in meinen Knochen.
    Sie wurde es gewahr, sogar durch den Nebel ihrer Trunkenheit hindurch. Ihr Lächeln verschwand. Ich nahm eine Karaffe. Sie hielt den Arm hoch, bereit, einen Schlag abzuwehren.
    Ich schüttelte den Kopf, schenkte mehr Martini ein. »Was hofften Sie zu erreichen?«
    »Frieden«, sagte sie, kaum hörbar. »Stabilität. Für alle.«
    »Haben Sie ihn bekommen?«
    Sie antwortete nicht.
    »Kein Wunder«, sagte ich. »Die Mädchen liebten einander, brauchten einander. Sie teilten miteinander eine private Welt, die sie sich selbst geschaffen hatten. Indem Sie sie trennten, zerstörten Sie diese Welt. Mit Sherry musste es noch schlimmer, viel schlimmer werden.«
    Sie sah zu Boden, sagte: »Sie hatte alles schnell vergessen.«
    »Wie haben Sie es angestellt?«
    »Was meinen Sie?«
    »Die Trennung der Zwillinge. Wie sind Sie genau vorgegangen?«
    »Sharon kannte Shirlee und Jasper - sie hatten mit ihr gespielt, waren freundlich und nett zu ihr gewesen. Sie mochte sie. Sie ging gern zu ihnen.«
    »Zu ihnen wohin?«
    »Auf eine Einkaufsfahrt.«
    »Die nie endete?«
    Der Arm hob sich wieder abwehrend. »Sie war glücklich! Es ging ihr besser, sie wurde nicht mehr mit den Fäusten bearbeitet.«
    »Was war mit Sherry? Was gaben Sie ihr für eine Erklärung?«
    »Ich … ich sagte ihr, Sharon wäre

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