Sharon: die Frau, die zweimal starb
sagte, nach allem, was ich durchgemacht hätte, verdiente ich ein bisschen Spaß in meinem Leben, also schenkte er es mir. Ich habe natürlich erst später erfahren, dass er im Auftrag handelte - aber er hat alles vermittelt, also stammte in gewissem Sinn alles von ihm.«
Ich verstehe«, sagte ich. »Was geschah, als du nach Hause kamst?«
»Ich war erschöpft. Die Sitzungen hatten mich ganz schön ausgepumpt. Ich ging ins Bett und schlief wie ein Baby. Aber nachts wachte ich in kalten Schweiß gebadet auf, in Panik, hatte wieder so einen Angstanfall. Ich wollte Paul anrufen, aber ich zitterte zu sehr, als dass ich seine Nummer hätte wählen können. Schließlich gelang es mir, durch tiefes Atmen ruhiger zu werden, aber dann schlug meine Stimmung um - nun war ich wirklich deprimiert, ich wollte mit niemandem mehr sprechen. Es war, als stürzte ich kopfüber in einen bodenlosen Schacht - ein endloses Fallen. Ich kroch unter die Bettdecke, um diesem Gefühl zu entkommen. Ich habe drei Tage lang im Bett gelegen, mich weder angezogen noch etwas gegessen. Ich habe nur immer das Foto angestarrt. Am dritten Tag kamst du und fandest mich. Als ich dich sah, bin ich durchgedreht. Es tut mir leid, Alex, ich habe die Beherrschung verloren.«
Sie berührte meine Wange.
»Mach dir keine Sorgen deswegen«, sagte ich. »Längst vergessen. Was geschah, nachdem ich fort war?«
»Ich blieb eine Weile in diesem Zustand. Irgendwann später - ich weiß wirklich nicht, wie lange danach - kam Paul vorbei, um nachzusehen, wie es mir ging. Er machte mich sauber, zog mich an und nahm mich wieder mit zu sich nach Hause. Eine Woche lang habe ich mich nur ausgeruht, oben in meinem … in einem Zimmer dort. Dann haben wir noch eine Sitzung gemacht, eine noch tiefere Hypnose, und er erzählte mir von der Trennung.«
»Was hat er dir erzählt?«
»Dass wir mit drei Jahren zur Adoption weggegeben und auseinandergerissen worden wären, weil Sherry immer wieder versucht hätte, mir wehzutun. Er sagte, die Adoption sei zwar richtig gewesen, aber unsere Adoptivmutter habe selbst Probleme gehabt, und beide zusammen wären wir ihr zu viel geworden. Sie mochte Sherry lieber, also hatte man mich weggegeben.«
Es war ihr schwergefallen, das mit gleichmütiger Stimme vorzutragen, etwas Rohes und Kaltes war in ihren Augen erschienen.
»Was ist?«, fragte ich.
»Nichts. Nur die Ironie. Sie hat ihr Leben lang wie eine Prinzessin gelebt, aber ihre Seele war verarmt und verkümmert. Schließlich wurde ich doch die Glücklichere von uns beiden.«
»Hast du je Mrs. Blalock wiedergesehen?«
»Nein. Nicht einmal bei der Party. Worüber hätte ich mit ihr reden sollen? Sie war nur ein Name für mich - nicht mal mehr ein Gesicht. Die Mutter eines anderen Mädchens.«
Ich betrachtete die Plastikwände der Kuppel und sagte nichts. Richtete den Blick auf den Körper im nächsten Bett. »Wann hat dir Kruse von Partnerin Nummer zwei erzählt?«
»In der dritten Sitzung, aber da gab’s nicht viel zu erzählen. Alles, was er wusste, war: Sie war verkrüppelt zur Welt gekommen und in irgendeinem Heim untergebracht.«
»Jemand hat dir dann den Rest erzählt. Onkel Billy?«
»Ja.«
»Der gutaussehende väterliche Anwalt?«
»Nach all den Jahren erinnerst du dich noch daran? Erstaunlich.« Sie wollte angenehm überrascht klingen, aber es schwang eine gewisse Gereiztheit mit. »Tatsache ist: Onkel Billy wollte immer Anwalt werden. Er hatte sich sogar schon erfolgreich um einen Studienplatz beworben, aber dann blieb er an anderen Geschäften hängen.«
»Wann trat er auf den Plan?«
»Als Paul mich ein zweites Mal nach Haus schickte. Vielleicht eine Woche, nachdem wir … uns getrennt hatten. Es ging mir viel besser, ich brachte die Dinge in die richtige Perspektive. Es läutete an der Tür. Ein älterer Mann mit einem wunderschönen Lächeln stand da. Mit Konfekt und Blumen und einer Flasche Wein. Er sagte, er sei der Bruder der Frau, die mich weggegeben hätte - er bat dafür um Entschuldigung und sagte, ich solle sie nicht hassen, obwohl er es verstehen könnte, wenn ich es täte. Er sagte, sie sei eine hilflose Person, aber er hätte sich immer um mich gekümmert. Sowohl als mein Onkel als auch als Vertreter meines Vaters.«
Sie sah zu dem leeren Bett hin. »Dann sagte er mir, wer mein Vater war.«
Ich fragte: »Was war es für dich für ein Gefühl, als du erfuhrst, dass du Leland Beldings Erbin hättest sein können?«
»Kein so seltsames Gefühl, wie
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