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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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für die intellektuelle Stimulierung, einen dritten für den Sex. Zack, zack, zack - fein und sauber. Wenn dabei keine Intimität entsteht - egal - immer noch besser als Einsamkeit. Spalten ist auch eine tolle Methode, um abzuschalten, während sie sich reihenweise die Typen reinziehen. Mit dem Strippen ist es genauso. Nur ein Job. Wie sonst könnten sie es fertigbringen? Dann nach Hause und Makkaroni machen mit Käse und Kreuzworträtsel lösen. Die Schauspielerinnen gaben das zu: Als sie sich im Film agieren sahen, war es, als sähen sie jemand anderem zu.«
    »Dissoziation, Zerfall der Persönlichkeit«, sagte ich.
    »Par excellence.«
    Ich dachte an Sharons zersplittertes Leben.
    Die routinehafte, schließlich leidenschaftslose Art, wie sie liebte. Ihre Weigerung, mit mir zusammenzuleben, mit irgendjemandem zusammenzuleben. Die Gleichgültigkeit, mit der sie vom Tod ihrer Eltern gesprochen hatte. Dass sie dann den Beruf einer Psychologin ergriffen hatte, so als ob sie anderen Menschen helfen wollte, um dann ihre Patienten zu verführen. Die Universität zu beenden, sich aber nie eine Zulassung zu besorgen. Die grauenvolle Nacht, in der ich sie mit dem Foto von den Zwillingen angetroffen hatte.
    Ich bin ihr einziges kleines Mädchen.
    Die Lügen.
    Das Video.
    Dass sie sich mit einem fiesen Typen wie Kruse zusammengetan hatte.
    »Hat Kruse seine Studentinnen je gefilmt, Larry?«
    »Meinst du, er hat sie den Film mitmachen lassen?«
    »Logisch. Er war ihr Studienberater. Er hatte sich doch auf Porno eingelassen.«
    »Das schon. Nur dass seine Filme keine Kurzvideos, sondern halbstündige Spielfilme in Farbe und mit Ton waren. Sollten Ehepaaren mit sexuellen Disfunktionen eine Orientierungshilfe sein; mit einer Distanzierung am Anfang und einem Typ, der wie Orson Welles klang und im Kommentarton dazu plauderte, während der Zoom auf eine Schautafel zufuhr. Außerdem benutzte Kruse Schauspieler und Schauspielerinnen. Professionelle. Ich habe nie eine Studentin in irgendwelchem Filmmaterial von ihm gesehen.«
    »Vielleicht gab’s etwas, was du nicht gesehen hast.«
    »Das gab es sicher. Aber hast du einen Hinweis, dass er sie gefilmt hat?«
    »Nein. Nur so ein Gefühl im Bauch.«
    »Was weißt du über das Video, außer der Tatsache, dass sie drauf war?«
    »Soll eine Doktor-Patientin-Verführungsgeschichte sein. Beschrieben hat es mir jemand, der es selbst nie gesehen hat, und jetzt ist das Video verschwunden.«
    »Du redest also im Grunde von einer Information aus dritter Hand - das alte Telefonierspiel. Du weißt schon: Bei jedem Weitersagen wird es besser. Vielleicht war sie doch nicht das Videomädchen.«
    »Vielleicht.«
    Pause. »Willst du es rausbekommen?«
    »Wie?«
    »Ich könnte dir vielleicht’ne Kopie besorgen. Alte Kontakte noch vom Forschungsprojekt her.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ja«, sagte er. »Das wäre gemein - vergiss, dass ich davon geredet habe. Oh, das Licht ist gerade angegangen. Habe einen Patienten im Wartezimmer. Hast du sonst noch etwas auf der Seele?«
    Ich rang mit meinen Gefühlen. Neugier - nein, sagen wir so, Delaware: Voyeurismus - in Verbindung mit Angst davor, noch mehr ekelerregende Wahrheiten zu erfahren.
    Aber ich sagte: »Sieh mal zu, ob du den Film besorgen kannst.«
    »Bist du sicher?«
    Ich war nicht sicher, aber ich hörte mich ja sagen.
    »Okay«, sagte er. »Ich melde mich wieder bei dir, sobald ich Bescheid weiß.«
     
 
    Mein gestriges Gespräch mit Robin - meine Reizbarkeit, die Art, wie das Ganze verpufft war - quälte mich noch immer. Um vier rief ich sie an. Der letzte Mensch, mit dem ich reden wollte, antwortete.
    »Ja.«
    »Ich bin’s, Rosalie.«
    »Sie ist nicht hier.«
    »Wann erwartest du sie zurück?«
    »Sie hat nicht gesagt, wann sie kommt.«
    »Also gut. Würdest du ihr bitte ausrichten -«
    »Ich richte ihr gar nichts aus. Warum lässt du sie nicht in Ruhe? Sie möchte nicht mit dir zusammen sein. Kann man das nicht deutlich spüren?«
    »Ich werde es vielleicht, wenn ich es von ihr höre, Rosalie.«
    »Hör mal zu. Ich weiß, es heißt, du wärst schlau und all das, aber du bist nicht so schlau, wie du denkst. Du und sie, ihr denkt, ihr seid erwachsen, habt alles begriffen, braucht von niemandem Rat. Aber sie ist immer noch mein Kind, und ich mag es nicht, wenn Leute sie herumstoßen.«
    »Du meinst, ich stoße sie herum?«
    »Wenn der Schuh Ihnen passt, Mister? Gestern, nachdem sie mit dir geredet hatte, war sie den ganzen Rest des Tages

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