Sharpes Festung
Dann feuerte eine andere Muskete, und Erde, Staub und Rauch wirbelten auf.
»Gebt ihnen Feuer!«, brüllte Major Stokes in der Schlucht.
An die hundert Rotröcke und Sepoys feuerten zur Mauerkrone hinauf. Sharpe hörte, wie die Musketenkugeln von den Steinen abprallten, und dann war er an der Mauer, rammte die Leiter ins Erdreich und schwang das andere Ende hinauf. Eine verdammte Eskalade, dachte er, eine Bresche und eine Eskalade, alles an einem Tag, und er zog das Breitschwert aus seinem Koppel und schob Garrard vom Fuß der Leiter fort.
»Ich zuerst«, grollte er und begann mit dem Aufstieg.
Die Sprossen gaben nach und federten, und er hatte den schrecklichen Gedanken, dass sie brechen könnten, wenn die ersten paar Männer die Leiter benutzt hatten. Dann würde die Falle für eine Hand voll Soldaten in der Festung zuschnappen und die Marathen würden sie niedermachen.
Er hatte keine Zeit, um sich davor zu fürchten, er musste klettern. Die Musketenkugeln prasselten links und rechts neben der Leiter gegen die Steine und trieben die Verteidiger von der Brustwehr zurück.
Sharpe erreichte das Ende der Leiter, stieß einen wilden Schrei aus und streckte die freie Hand aus, um sich irgendwo festzuklammern und sich durch die Schießscharte auf den Wehrgang zu ziehen. Er verharrte, versuchte ein Gefühl dafür zu bekommen, was vor und unter ihm warten könnte, doch Garrard schob ihn weiter und ließ ihm nur die Möglichkeit, durch die Schießscharte zu springen.
Da gab es keinen Wehrgang!
Mein Gott, dachte er und sprang. Es war kein langer Sprung hinab, vielleicht acht, zehn Fuß, denn der Boden war auf der Innenseite der Mauer höher als auf der Außenseite. Er landete auf allen vieren auf dem Erdreich, und eine Musketenkugel peitschte über seinen Rücken hinweg. Er rollte sich ab, rappelte sich auf und sah, dass die Verteidiger auf niedrigen hölzernen Plattformen standen, von denen aus sie über die Mauer spähen konnten. Und jetzt rannten diese Verteidiger auf ihn zu. Aber es waren nur wenige, sehr wenige, und Sharpe hatte bereits fünf Rotröcke auf dieser Seite der Mauer und weitere kamen. Der Feind erhielt ebenfalls Verstärkung, einige von Westen und noch mehr von Osten.
»Tom, pass auf die Männer auf!« Sharpe wies westwärts, dann zog er die Männer zusammen. »Musketen anlegen!«, befahl er. Die Männer rissen die Musketen an die Schultern. »Zielt tief, Jungs«, sagte er. »Feuer!«
Die Musketen blitzten auf. Ein Marathe stürzte und rutschte über den Boden. Die anderen fuhren herum und ergriffen die Flucht, entsetzt über den Strom von Männern, der jetzt über die Mauer stieg. Es war eine seltsame Mischung aus englischen Plänklern, Highlander-Infanterie, Sepoys, Kavalleristen und sogar einige von Syud Sevajees Gefährten mit ihren geliehenen roten Röcken.
»Zwei Reihen!«, rief Sharpe. »Schnell jetzt! Zwei Reihen. Tom! Was passiert hinter mir?«
»Die Scheißer sind abgehauen, Sir!«
»Zwei Reihen!«, brüllte Sharpe von Neuem. Er konnte von hier aus das Torhaus nicht sehen, weil sich der Hügel innerhalb der Mauer wölbte und die großen Wehrgänge vor ihm verbarg, doch der Feind formierte sich zweihundert Schritte ostwärts. Die Verteidiger der Mauer in braunen Röcken schlossen sich einer Kompanie weiß berockter Kobras an. Diese Männer mussten besiegt werden, bevor Sharpe hoffen konnte, zum Torhaus vorrücken zu können. Er blickte den Hügel hinauf und sah nichts außer einem Gebäude, halb verborgen von Bäumen, in denen Affen kreischend kletterten. Keine Verteidiger dort. Gott sei Dank konnte Sharpe seine rechte Flanke ignorieren.
Ein schottischer Sergeant hatte die Männer in zwei Reihen gezerrt und geschoben.
»Laden!«, befahl Sharpe, obwohl die meisten bereits luden. »Sergeant?«
»Sir?«
»Rücken Sie längs der Mauer vor. Niemand feuert, bevor ich es befehle. Sergeant Green?« Sharpe wartete und rief noch einmal: »Sergeant Green!« Green hatte die Mauer offenbar noch nicht überquert oder die Felswand gar nicht erklettert. »Sergeant Green!«, brüllte Sharpe abermals.
»Warum brauchen Sie den?«, rief jemand.
Es war ein schottischer Captain. Himmel, dachte Sharpe, der ist ranghöher. »Um die nächste Gruppe zu führen!«
»Das mache ich«, sagte der Schotte. »Lassen Sie sich nicht aufhalten!«
»Vorrücken!«, rief Sharpe.
Der Sergeant gab Kommandos und rief schließlich: »Marsch!«
Es war ein fehlerhaftes Vorrücken. Die Männer hatten keine
Weitere Kostenlose Bücher