Sharpes Festung
Lückenschließer und schlossen nicht auf, aber das machte Sharpe nicht viel aus. Wichtig war, dass sie sich dem Feind näherten. Das war immer McCandless’ Devise gewesen. Geh nahe ran und beginne mit dem Töten, denn auf große Distanz kannst du nur Scheiße erreichen – dieses Wort hatte der schottische Colonel jedoch nie benutzt. Dieser Kampf ist für dich, McCandless, dachte Sharpe, und es kam ihm in den Sinn, dass er zum ersten Mal Soldaten in ein Gefecht führte, Linie gegen Linie, Musketen gegen Musketen. Er war nervös, und er wurde noch nervöser, weil er eine behelfsmäßige Kompanie vor den Augen Tausender Rotröcke auf den Mauern des äußeren Forts in den Kampf führte. Wenn ich hier scheitere, dachte er, dann wird es die ganze Armee erfahren.
Er beobachtete den feindlichen Offizier, ein großer Mann mit dunklem Gesicht und buschigem Schnurrbart. Gut ausgebildet, dachte Sharpe, aber niemand hatte je behauptet, dass William Dodd Soldaten nicht perfekt drillen kann.
Die Kobras stoppten, als die beiden Einheiten noch hundert Schritte voneinander entfernt waren. Sie legten ihre Musketen an, und Sharpe sah, wie seine Männer zögerten.
»Weitermarschieren!«, befahl er. »Weitermarschieren!«
»Ihr habt es gehört!«, bellte der schottische Sergeant. »Weitermarschieren!«
Sharpe befand sich an der rechten Flanke seiner Reihe. Er blickte zurück und sah, dass weitere Männer sich beeilten aufzuholen, und ihre Ausrüstung schlug hin und her, als sie über den unebenen Boden stolperten. Himmel, dachte Sharpe, ich bin tatsächlich drin! Wir sind drin!
Und dann feuerten die Kobras.
Und Sharpe, Ensign und Ochsentreiber, führte eine Schlacht.
Die Rotröcke stürmten das Torhaus ein drittes Mal. Diesmal pressten sich zwei Trupps zu beiden Seiten der Passage an die Wände, hoben ihre Musketen und feuerten auf den jeweils gegenüberliegenden Wehrgang. Die Taktik schien aufzugehen, denn unter dem Schutz der ersten Salve stürmte eine dritte Gruppe von Männern mit Äxten über die Toten und Sterbenden auf dem steilen steinernen Pfad auf das zweite Tor zu.
Dann begannen die angezündeten Raketen von der Höhe zu fallen. Sie prallten in zwei der Musketentrupps, und die Männer mit den Äxten gelangten nicht einmal bis zum zweiten Tor. Sie starben unter dem Musketenfeuer, das dem Raketeninferno folgte, und die nach Atem ringenden Verwundeten krochen zurück durch den dichten Rauch. Weitere Raketen wurden von den flankierenden Wehrgängen hinabgeworfen und verursachten ein unvorstellbares Grauen. Wer es noch konnte, ergriff die Flucht, abermals besiegt.
»Genug!«, rief Dodd seinen Männern zu. Er spähte in das Blutbad hinab. Es war die Hölle, und über all dem Blut hing stinkender Rauch. Die Raketenhülsen brannten noch. Die Verwundeten schrien um Hilfe, die nicht kam, und Dodd empfand ein Hochgefühl. Es war sogar leichter gewesen, als er erhofft hatte.
»Sahib!«, sagte Gopal drängend. »Sahib!«
»Was ist?«
»Sahib, sehen Sie!« Gopal wies nach Westen. Da war Rauch zu sehen und das Krachen von Musketen zu hören. Der Rauch stieg von jenseits der Hügelkuppe auf, sodass Dodd nicht sehen konnte, was dort geschah, aber die Geräusche reichten aus, um ihm klarzumachen, dass hinter dem Hügel ein heftiger Kampf ausgebrochen war. Das musste nicht viel zu bedeuten haben, abgesehen davon, dass der Lärm und der Rauch von innerhalb der Mauern kamen.
Dodd fluchte. »Finde heraus, was dort passiert, Gopal. Schnell!« Er konnte nicht verlieren. Er durfte nicht verlieren. »Wo ist Mister Hakeswill?«, rief er. Er wollte, dass der Deserteur Gopals Pflichten auf dem Wehrgang übernahm, doch der Sergeant mit dem krampfhaften Zucken im Gesicht war verschwunden. Das Musketenfeuer ging weiter, doch unterhalb von Dodd gab es nur das Stöhnen der Verwundeten und den Geruch von verbranntem Fleisch.
Er starrte nach Westen. Wenn die verdammten Rotröcke die Mauer überquert hatten, dann würde er mehr Infanterie brauchen, um sie aus der Festung zu vertreiben und jene Lücke zu schließen, durch die es den Engländern gelungen war, in das innere Fort einzudringen.
»Havildar!«, rief er den eingeborenen Sergeant, der Hakeswill zum Palast begleitet hatte. »Geh zum südlichen Tor und sag ihnen, sie sollen ein Bataillon herschicken. Schnell!«
»Sahib«, sagte der Mann und rannte davon.
Dodd stellte fest, dass er leicht zitterte. Es war nur ein kleines Zucken in seiner rechten Hand, die immer noch den goldenen
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