Sharpes Festung
vielleicht lag es am Anblick der besiegten Araber, was die große Masse der Infanterie in Panik versetzte. Sekundenlang stand sie unter ihren großen, farbenfrohen Flaggen, und dann löste sie sich zu einem ungeordneten Haufen auf.
Kavallerie-Trompeten schmetterten. Britische leichte Dragoner und Sowars – die Mannschaften der indischen Kavallerie – griffen mit erhobenen Säbeln an, während die irregulären Reiter, die Söldner, die sich den Briten angeschlossen hatten, weil sie sich Beute erhofften, ihre Lanzen senkten und den Pferden die Sporen gaben.
Ein gebrochener Feind, der sich nirgendwo verstecken konnte, war ein paradiesisches Schlachtfeld für einen Kavalleristen. Einige Marathen suchten Zuflucht in dem Dorf, doch die meisten rannten daran vorbei und warfen ihre Waffen weg, als die schrecklichen Reiter schreiend in die fliehende Horde ritten, um mit Säbeln und Lanzen zu töten.
» Puckalees! «, schrie Urquhart. Er stellte sich in die Steigbügel, um nach den Männern und Jungen Ausschau zu halten, die den Soldaten Wasser brachten. Es war keiner der Wasserträger zu sehen, und das 74. lechzte danach, denn der Salpeter im Schießpulver hatte ihren Mund ausgedörrt. »Wo sind sie, verdammt?«, fluchte Urquhart. Dann blickte er finster zu Sharpe. »Mister Sharpe? Ich bitte Sie, unsere puckalees zu finden.«
»Jawohl, Sir«, sagte Sharpe und bemühte sich nicht, seine Enttäuschung über den Befehl zu verbergen. Er hatte gehofft, einige Beute zu machen, wenn das 74. das Dorf durchsuchte, doch stattdessen musste er die Wasserträger suchen. Er hängte die Muskete an seine Schulter und ging zurück durch die Ansammlung Gefallener und Sterbender. Hunde krochen schnüffelnd zwischen den Toten herum.
»Vorwärts jetzt!«, rief Wellesley hinter Sharpe, und die gesamte lange Linie britischer Infanteristen rückte unter ihren Fahnen zum Dorf vor. Die Kavallerie war bereits weit jenseits der Häuser, tötete mit Hingabe und trieb die überlebenden Flüchtenden immer weiter nordwärts.
Sharpe ging nach Süden. Er nahm an, dass die puckalees immer noch beim Bagagelager waren, was einen Marsch von drei Meilen bedeutete, und wenn er sie gefunden hatte, würde das Regiment seinen ersten Durst an den Brunnen im Dorf gestillt haben. Zur Hölle mit allen, dachte er. Der Job, den sie mir gegeben haben, ist ein nutzloser Botengang.
Ein Ruf ließ ihn nach rechts blicken, wo ein Dutzend eingeborene Kavalleristen die Gewänder der toten Araber aufschlitzten und nach Geldmünzen und Schmuck suchten. Die Leichenfledderer waren Marathen, die ihre Dienste an die Briten verkauft hatten, und Sharpe nahm an, dass die Reiter sich nicht an der Verfolgung der Flüchtenden beteiligt hatten, aus Furcht, sie könnten für besiegte Feinde gehalten werden. Einer der Araber hatte sich nur tot gestellt, und jetzt, trotz der gewaltigen Überzahl der Feinde, widersetzte er sich mit einer Pistole, die er unter seinem Gewand hervorgezogen hatte. Die Kavalleristen hatten einen Ring um ihn gebildet, und der Araber drehte sich suchend um, um festzustellen, dass sein Peiniger abgehauen war, bevor er mit der kleinen Pistole auf ihn zielen konnte.
Der Araber war klein, und als er sich wieder umdrehte, sah Sharpe das geschwollene, blutige Gesicht und erkannte den Jungen, der das 74. so tapfer angegriffen hatte. Der Junge war verloren, denn der Ring der Kavalleristen schloss sich langsam, um ihn zu töten. Einer der Marathen würde vermutlich sterben oder zumindest von der Pistolenkugel schrecklich verwundet werden, doch das gehörte zu dem grausamen Spiel. Der Junge hatte einen Schuss, sie hatten über ein Dutzend. Ein Mann stieß dem Jungen mit der Lanze leicht in den Rücken, woraufhin er herumwirbelte, doch der Mann mit der Lanze war schnell zurückgesprungen und ein anderer Mann schlug dem Jungen mit einem tulwar leicht auf den Kopf. Die anderen Kavalleristen lachten.
Sharpe sagte sich, dass der Junge Besseres verdient hatte. Er war noch ein Kind, gerade ein Halbwüchsiger, jedoch tapfer wie ein Tiger, und so ging Sharpe zu den Kavalleristen.
»Lasst ihn in Frieden!«, rief er.
Der Junge wandte sich Sharpe zu. Wenn er begriff, dass der britische Offizier versuchte, ihm das Leben zu retten, so zeigte er kein Anzeichen von Dankbarkeit. Stattdessen hob er die Pistole, sodass die Mündung auf Sharpes Gesicht gerichtet war. Die Kavalleristen, die wohl dachten, dass ihr sadistisches Spiel ihnen noch mehr Spaß bringen konnte, drängten den Jungen
Weitere Kostenlose Bücher