Sharpes Festung
das Pulver, setzten manchmal eine Handspake ein oder schoben an den Rädern, wenn das Geschütz zurückrollte, dann luden sie von Neuem.
»Wasser!«, schrie ein Corporal und hielt einen Eimer hoch, um zu zeigen, dass das Putzwasser aufgebraucht war.
»Feuert tief! Vergeudet nicht euer Pulver!«, rief Major Swinton und trieb sein Pferd in die Lücke zwischen den mittleren Kompanien. Er spähte durch den Rauch zum Feind. Hinter ihm, bei den beiden Fahnen des 74., starrten General Wellesley und seine Adjutanten ebenfalls zu den Arabern jenseits des Rauchs.
Colonel Wallace, der Brigadekommandeur, trabte zur Flanke des Bataillons. Im Vorbeireiten rief er etwas zu Sharpe, doch seine Worte gingen im Lärm der Schüsse unter. Und dann wurde sein Pferd von einer Kugel getroffen. Wallace parierte das taumelnde Tier und blickte zurück zu der Wunde an der Flanke, doch der Streifschuss hatte das Pferd nicht schlimm verletzt. Colonel Harness schrie auf einen der einheimischen Sänftenträger ein, der versucht hatte, den Colonel zurück hinter den Vorhang des Palankins zu schieben. Einer von Wellesleys Adjutanten ritt zurück, um den Colonel zu beruhigen und zu überreden, zurückzugehen.
»Ruhe jetzt!«, rief Sergeant Colquhoun. »Zielt tief!«
Der Angriff der Araber war zurückgeschlagen worden, doch der Feind war nicht besiegt. Die erste Salve musste die Angreifer grausam hart getroffen haben, denn Sharpe sah eine Linie von Gefallenen auf dem Boden. Hinter den blutigen Männern feuerten Araber zurück. Sie schossen undiszipliniert, nicht ausgebildet für Salven. Doch sie luden schnell, und ihre Kugeln trafen. Sharpe hörte, wie Blei auf Fleisch traf, sah, wie Männer zurückgeschleudert wurden und fielen. Die Unteroffiziere hinter der Linie zogen die Toten zurück und schoben die Lebenden näher zusammen.
»Aufschließen! Aufschließen!«
Das Dudelsackspiel ging weiter im Krachen der Waffen. Private Hollister wurde am Kopf getroffen, und Sharpe sah eine Wolke weißes Mehl aus dem gepuderten Haar des Soldaten davonwehen, als er seinen Hut verlor. Dann tränkte Blut das geweißte Haar, und Hollister fiel mit blicklosen Augen zurück.
»Zug eins, Feuer!«, brüllte Sergeant Colquhoun. Er war kurzsichtig und konnte den Feind kaum sehen, doch das machte nichts aus. Niemand konnte in dem Rauch viel sehen. Es zählte nur, dass man die Nerven behielt, und Colquhoun war kein Mann, der leicht in Panik geriet.
»Zug zwei, Feuer!«, rief Captain Urquhart.
»Mein Gott!«, stieß ein Mann nahe bei Sharpe hervor. Er wankte zurück, seine Muskete entfiel ihm, dann ging er auf die Knie. »O Gott, o Gott, o Gott«, stöhnte er und presste die Hände auf den Hals. Sharpe konnte dort keine Verletzung entdecken, doch dann sah er, dass Blut aus der grauen Hose des Mannes tropfte. Der sterbende Soldat sah mit Tränen in den Augen zu Sharpe auf und stürzte vornüber.
Sharpe hob die gefallene Muskete auf. Dann drehte er den Mann um, um dessen Patronentasche abzuschnallen. Der Mann war gestorben oder dem Tod so nahe, dass er sie nicht mehr brauchte.
»Ein Feuerstein!«, rief ein Mann aus der Frontlinie. »Ich brauche einen Feuerstein!«
Sergeant Colquhoun bahnte sich einen Weg durch die Reihen und hielt ihm einen Feuerstein hin. »Und wo ist Ihr Ersatzfeuerstein, John Hammond?«
»Das weiß Gott, Sergeant.«
»Dann fragen Sie ihn, denn Sie müssen angreifen.«
Ein Mann fluchte, als eine Kugel seinen linken Arm aufriss. Er wankte aus der Reihe. Blut tropfte von seinem nutzlos herabhängenden Arm.
Sharpe schob sich in die Lücke zwischen den Kompanien, legte seine Muskete an und feuerte. Beim Rückstoß rammte der Kolben gegen seine Schulter. Es war ein gutes Gefühl. Endlich hatte er etwas zu tun. Er ließ den Musketenkolben sinken, fischte eine Patrone aus der Munitionstasche und biss die Spitze ab, schmeckte das Salz im Schießpulver. Er schüttete Pulver auf die Pfanne, stopfte dann den Rest der Patrone in den Lauf, rammte die Kugel mit dem Ladestock fest, feuerte von Neuem und lud wieder. Eine Kugel zischte an seinem Ohr vorbei, eine weitere flog über seinen Kopf hinweg. Er wartete auf die Salve des Bataillons und feuerte dann mit den anderen Männern der 6. Kompanie. Sharpe tat es so wirkungsvoll wie jeder andere Mann. Er war darin ausgebildet. Das macht den Unterschied, dachte er grimmig. Er war ausgebildet, doch keiner bildete die Offiziere aus. Sie mussten allen Scheiß tun, warum sollte man sie also ausbilden? Ensign Venables
Weitere Kostenlose Bücher