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Sharpes Trafalgar

Titel: Sharpes Trafalgar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Decks. Gegenüber von Grace rann Wasser durch eine Fuge, und jedes Mal, wenn die Dünung das Schiff hob, stieg das Wasser in der Fuge und lief dann hinab und verschwand im Laderaum jenseits der Gepäckregale. Sie widerstand dem Wunsch, einen Finger auf die Fuge zu pressen, in die ein schmaler Streifen Werg gestopft war, und sie erinnerte sich daran, dass Sharpe ihr erzählt hatte, wie er als Kind im Waisenheim gezwungen gewesen war, große Säcke geteerter Taue zu bearbeiten, die als Fender in Londoner Docks benutzt worden waren. Sein Job war es gewesen, die Hanfstricke zu splissen, die dann an Werften verkauft wurden. Seine Fingernägel waren immer noch rissig und geschwärzt, doch das war seiner Meinung nach das Resultat vom Feuern mit einer Steinschlossmuskete. Sie dachte an seine Hände, schloss die Augen und wunderte sich über die Verrücktheit, zu der sie sich hatte hinreißen lassen. Sie war immer noch Sklavin ihrer Leidenschaft. Das Schiff erbebte von Neuem, und sie empfand plötzlich Entsetzen bei dem Gedanken, in diesem engen Verlies gefangen zu sein, während die Pucelle sank.
    »Ich lese über Penelope«, sagte Lord William und ignorierte den ständigen Beschuss der Pucelle. »Sie ist eine bemerkenswerte Frau, nicht wahr?«
    »So habe ich auch immer gedacht«, sagte Lady Grace und öffnete die Augen.
    »Der Inbegriff der Treue, findest du nicht auch?«, fragte Lord William.
    Grace betrachtete das Gesicht ihres Mannes. Er saß links von ihr auf der anderen Seite des schmalen Raums. Er wirkte belustigt.
    »Ihre Treue wird immer gelobt«, sagte sie.
    »Hast du dich jemals gefragt, mein Liebling, warum ich dich nach Indien mitgenommen habe?«, fragte Lord William und schloss das Buch, nachdem er einen Brief als Lesezeichen zwischen die Seiten gelegt hatte.
    »Ich hoffte, weil ich von Nutzen für dich sein könnte«, antwortete sie.
    »Und so war es«, sagte Lord William. »Du hast unsere Besucher prächtig unterhalten, und ich habe keine einzige Beschwerde über deine Führung des Hauhalts gehört.«
    Grace sagte nichts. Das Ruder, so nahe hinter ihnen, knarrte leise in seinen Drehbolzen. Das feindliche Geschützfeuer war eine ständige Folge von dumpfen Donnerschlägen, die manchmal zu einem Crescendo anschwollen und dann wieder zu einem stetigen dumpfen Krachen wurden.
    »Aber natürlich kann ein guter Diener einen Haushalt genauso gut führen wie eine Frau, wenn nicht gar besser«, fuhr Lord William fort. »Nein, mein Liebling, ich gestehe, ich habe nicht aus diesem Grund gewünscht, dass du mich begleitest, verzeih mir, sondern weil ich befürchtete, dass es dir schwerfallen wird, so lange treu zu sein wie Penelope, wenn ich dich daheim zurücklasse.«
    Grace, die beobachtet hatte, wie das Wasser in der Fuge höher stieg und überlief, schaute ihren Mann an. »Du bist beleidigend«, sagte sie kühl.
    Lord William ignorierte ihre Worte. »Penelope blieb schließlich ihrem Ehemann während all der langen Jahre seines Exils treu«, fuhr er fort, »aber hätte eine moderne Frau die gleiche Geduld?« Lord William gab vor, über diese Frage zu grübeln. »Was meinst du, mein Liebling?«
    »Ich meine«, sagte sie beißend, »dass ich mit Odysseus verheiratet sein müsste, um eine solche Frage beantworten zu können.«
    Lord William lachte. »Würde dir das gefallen, mein Liebling? Möchtest du mit einem Krieger verheiratet sein? Aber ist Odysseus solch ein großer Krieger? Mir scheint, er wirkt manchmal eher wie ein Schwindler und Gauner, statt wie ein Soldat.«
    »Er ist ein Held«, sagte Grace.
    »Ich glaube, das sind alle Ehemänner für ihre Frauen«, sagte Lord William selbstgefällig. Dann blickte er zu den Deckenbalken auf, als ein Doppelschlag das Schiff erschütterte. Eine Woge hob das Heck an, und er stützte sich Halt suchend ab. Schritte hasteten über das Deck über ihnen, wo die ersten Verwundeten unter das Messer des Schiffsarztes gebracht wurden.
    Ein besonders lautes Krachen in der Nähe ließ Lady Grace erschreckt aufschreien. Ein bedrohliches Rauschen von Wasser verstummte abrupt, als der Zimmermann ein Loch in der Wasserlinie des Schiffes fand und einen Holzspund in das Loch hämmerte.
    Lady Grace fragte sich, wie tief unter der Wasserlinie sie sich befanden. Fünf Fuß? Captain Chase war sicher gewesen, dass kein Schuss hierher durchdringen konnte. Er hatte erklärt, dass die See die Kanonenkugeln sofort verlangsamte, doch die schrecklichen Geräusche ließen darauf schließen, dass jeder

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