Sharpes Trafalgar
Lady Grace zur Reling des Achterdecks. Sie schaute zu Sharpe, dann anzüglich zu Cromwell, dann wieder zu Sharpe, und er wusste, dass sie den gleichen undenkbaren Gedanken hatte.
»Werden wird kämpfen?«, fragte ein Passagier.
Ein Matrose lachte. »Wir können nicht gegen einen französischen 74er kämpfen. Sie hat große Geschütze, keine Achtzehnpfünder wie wir.«
»Können wir schneller segeln als sie?«, fragte Sharpe.
»Wenn wir Glück haben.« Der Mann spuckte über Bord.
Cromwell gab dem Steuermann Befehle, und für Sharpe hatte es den Anschein, als versuche der Captain, die letzten Reserven an Schnelligkeit herauszukitzeln, doch die Matrosen auf dem Vordeck waren angewidert. »Das verlangsamt uns nur«, erklärte einer von ihnen. »Jedes Mal, wenn man am Ruder dreht, verlangsamt es einen. Er sollte das lassen.« Der Matrose sah Sharpe an. »Sie sollten dieses Fernrohr verstecken, denn das Schiff hat es auf uns abgesehen.«
Sharpe rannte abwärts. Er würde seine Juwelen aus Cromwells Kabine holen müssen, aber es gab auch andere Dinge, die er retten wollte, und so stopfte er das wertvolle Fernrohr unter sein Hemd und band seine rote Offiziersschärpe darüber, dann zog er seinen roten Rock an, schnallte seinen Degen um und schob die Pistole in den Gürtel. Andere Passagiere versuchten, ihren Besitz von einigem Wert zu verstecken, Kinder weinten, und dann hörte Sharpe, gedämpft durch die Entfernung und den Schiffsrumpf, das Donnern eines Geschützes.
Er stieg eilig wieder aufs Hauptdeck zurück und erbat Cromwells Erlaubnis, das Achterdeck zu betreten. Cromwell nickte und blickte belustigt auf Sharpes Degen. »Erwarten Sie einen Kampf, Mister Sharpe?«
»Kann ich meine Wertsachen aus Ihrer Kabine haben, Captain?«, fragte Sharpe.
Cromwell runzelte die Stirn. »Alles zu seiner Zeit, Sharpe, nur die Ruhe. Ich bin jetzt beschäftigt und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich das Schiff retten lassen.«
Sharpe ging zur Reling. Das französische Schiff wirkte immer noch weit entfernt, aber jetzt konnte Sharpe sehen, wie sich die See weiß vor dem Vordersteven des Schiffs brach und eine zerfasernde Rauchwolke vor dem Bug schwebte. »Sie haben gefeuert«, sagte Major Dalton, sein schweres Breitschwert an der Hüfte, als er sich zu Sharpe an die Reling gesellte, »aber die Kugel landete viel zu kurz. Tufnell sagte, sie haben nicht versucht, uns zu treffen, sie wollen nur, dass wir beidrehen.«
Ebenezer Fairley trat an Sharpes andere Seite. »Wir hätten bei dem Konvoi bleiben sollen.« Er spuckte angewidert aus.
»Ein solches Schiff«, sagte Dalton und spähte zu der massiven Flanke des französischen Kriegsschiffs, die voller Stückpforten war, »hätte den ganzen Konvoi zusammenschießen können.«
»Wir hätten die Fregatte der Company geopfert«, sagte Fairley. »Dafür ist eine Fregatte schließlich da.« Er trommelte nervös mit den Fingern auf die Reling. »Sie ist ein schneller Segler.«
»Wir auch«, sagte Major Dalton.
»Sie ist größer«, sagte Fairley brüsk, »und größere Schiffe segeln schneller als kleine.« Er wandte sich um. »Captain!«
»Ich bin beschäftigt, Fairley, sehr beschäftigt.« Cromwell schaute nicht zu dem Händler.
»Können Sie den Franzosen abhängen?«
»Wenn man mich in Frieden meinen Job machen lässt, vielleicht.«
»Was ist mit meinem deponierten Geld?«, wollte Lord William wissen. Er hatte sich zu seiner Frau aufs Deck gesellt.
»Die Franzosen«, antwortete Cromwell, »führen keinen Krieg gegen Privatpersonen. Das Schiff und seine Fracht mag vielleicht verloren gehen, aber sie werden Privatbesitz respektieren. Wenn ich Zeit habe, Mylord, werde ich meine Kabine aufschließen. Aber im Augenblick, Gentlemen, lassen Sie mich vielleicht dieses Schiff segeln, ohne mich anzukläffen?«
Sharpe blickte zu Lady Grace, doch sie ignorierte ihn, und er schaute wieder zum französischen Kriegsschiff. Fairley hämmerte weiter nervös mit den Fingern auf die Reling. »Dieser verdammte Franzose wird einen saftigen Profit machen«, sagte der Händler bitter. »Dieses Schiff ist mit der Fracht mindestens sechzigtausend Pfund wert. Sechzigtausend! Vielleicht mehr.«
Jeweils zwanzig für die Franzosen, dachte Sharpe, für Pohlmann und für Cromwell, einen Kapitän, der inbrünstig glaubt, dass der Krieg verloren ist und dass die Franzosen siegen werden. Ein Kapitän, der erklärt hatte, dass ein Mann sein Vermögen machen müsse, bevor die Franzosen die Welt übernahmen.
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