Sharpes Weihnacht
hübsches kleines Mädchen, Sir, und es geht ihm gut wie auch seiner Mutter. Die Frauen kümmern sich jetzt um sie, und sie wird bald wieder transportfähig sein. Ein wenig dauert es aber noch.«
Sharpe hatte mitgehört und grinste Gudin an. »Eine kalte Nacht für eine Geburt, Colonel.«
»Aber sie wird leben, Sharpe. Sie werden beide leben. Das ist alles, was zählt!«
Sharpe feuerte in die Luft. »Ich habe gerade an den kleinen Jesus gedacht, Colonel. Bei seiner Geburt muss es auch höllisch kalt gewesen sein.«
Gudin lächelte. »Ich glaube, in Palästina ist es warm, Sharpe, genau wie in Indien. Ich bezweifle, dass es am ersten Weihnachten gefroren hat. Ich glaube, unser Herr ist in einer warmen Nacht zur Welt gekommen.«
»Wie auch immer – wenigstens ist er nie zur Armee gegangen, Colonel. Dafür war er zu klug.« Sharpe stopfte eine neue Kugel in sein Gewehr und ging die ausgelassene Reihe der Soldaten ab. Rotröcke und Franzosen aus Gudins Garnison hatten sich gemischt, und alle schossen sie wie die Verrückten in den sternenübersäten Himmel. »Schneller!«, brüllte Sharpe. »Kommt schon! Schneller! Ihr feiert hier immerhin die Geburt unseres Herrn! Gebt euch mal mehr Mühe, verdammt noch mal! Vite! Vite!«
Es dauerte eine halbe Stunde, bis Maria und ihr Neugeborenes auf den Karren gelegt werden konnten, wo man sie in Schafsfelle einwickelte. Dann bekam das Baby noch Geschenke: den silbernen Knopf eines Rifleman, einen zerbrochenen Stiefelknecht aus Elfenbein, den ein Rotrock bei Vitoria erbeutet hatte, und eine Goldguinea von Peter d’Alembord.
Als Mutter und Tochter bequem auf dem Wagen lagen, fuhr der Kutscher in Richtung Norden los, und die spanischen Frauen und Kinder, die zu retten Gudin sich solche Mühe gegeben hatte, schlossen sich dem rumpelnden Fahrzeug an. Sie stiegen zum Pass hinauf, und die Franzosen, die so eifrig in den Himmel geschossen hatten, reihten sich in den Zug ein. Insgesamt einhundert Franzosen gesellten sich zu den Frauen, alles Männer aus Gudins Garnison, und ihr Colonel schloss sich als Letzter der Prozession an.
»Hier, mon colonel«, sagte Sharpe, trat vor und bot Colonel Gudin den Adler an.
Ungläubig starrte Gudin die Trophäe an. »Sie geben ihn mir?«
Sharpe grinste. »Ich habe schon einen, Colonel. Ich brauche keinen zweiten. Außerdem habe ich die Fahne von der Stange genommen. Als Souvenir.«
Gudin nahm die kahle Stange mit dem Adler, umarmte Sharpe und küsste ihn zum Abschied. »Nach dem Krieg, Sharpe?«, sagte er mit heiserer Stimme. »Sehen wir uns nach dem Krieg?«
»Ich hoffe doch, Colonel. Ich hoffe doch.«
Es galt, noch eine letzte Scharade aufzuführen. Die Riflemen, die die Grenze bewachten und die der Feind weiter unten sehen konnte, feuerten ihre Waffen ab und liefen dann in gespielter Panik davon, als Gudins Prozession näher rückte.
Und unten im Tal beobachtete Général Picard voller Staunen, wie plötzlich eine kleine Gruppe Franzosen auf der Kuppe erschien. Es waren nur wenige, eine Hand voll, weniger als ein Zehntel von dem, was er erwartet hatte, aber sie hatten sich durchgekämpft, und sie brachten sogar einen Wagen mit. Und dann sah Picard ein goldenes Funkeln über den dunklen Gestalten, die über die Kuppe nach hinten schossen, und er hob sein Fernrohr, um das funkelnde Ding in Augenschein zu nehmen. Und plötzlich war er da: der Adler. Deutlich sah Picard die ausgebreiteten Schwingen. »Sie bringen den Adler mit!«, schrie Picard. »Sie haben den Adler gerettet!« Und seine geschlagenen Männer brachen in lauten Jubel aus.
Das Schießen auf dem Pass verhallte langsam, und nur ein letzter Rest Pulverdampf quoll noch den Hang hinab. Die Riflemen und Rotröcke grinsten. Dieser Unsinn hatte ihnen Spaß gemacht. Keiner von ihnen hatte Weihnachten in dieser Gegend verbringen wollen, so weit weg von Roastbeef und Plumpudding, doch die Expedition hatte sich in einen großen Spaß verwandelt. Natürlich war es schade um Ensign Nicholls, aber was hatte er denn erwartet? Jeder wusste, dass Mister Sharpe für Ensigns tödlich war, aber wenigstens würde Mister Nicholls in Frankreich beerdigt werden. Sharpe bestand darauf. Der Junge war zur Armee gegangen, um gegen die Franzosen zu kämpfen, und nun sollte er für alle Ewigkeit ein Stück französischen Bodens haben. Ansonsten hatte niemand sein Leben verloren. Es war noch nicht einmal jemand verwundet worden, und das Regiment hatte eine ganze französische Brigade zurückgeschlagen,
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