Sharpes Weihnacht
blutiges Roastbeef, Soße so dick, dass eine Ratte daran ersticken würde, und ein mit Brandy getränkter Christmas-Pudding mit Pflaumen und gutem Nierenfett. »Das ist schon verrückt, nicht wahr?«, bemerkte Sharpe. »Wäre das ein Froschfresser, ich würde noch nicht mal mit der Wimper zucken. Und das ist doch nur eine blöde Kuh.«
»Das ist ein Ochse, Sir.«
»Wo ist da der Unterschied?«
»Den können Sie nicht melken, Sir.«
»Oh – ja – stimmt«, sagte Sharpe und zielte wieder mit dem Gewehr. »Halt einfach still«, befahl er dem Ochsen und näherte sich noch einen halben Schritt, sodass die verrußte Mündung nur noch ein paar Zoll von den rauen schwarzen Haaren zwischen den traurigen Augen des Tieres entfernt war. »Ich habe mal einen Tiger geschossen«, erzählte er.
»Wirklich, Sir?«, sagte Harper, dem deutlich anzumerken war, dass ihn das nicht im Mindesten interessierte. »Dann stellen Sie sich einfach vor, das sei ein Tiger, und erschießen Sie ihn.«
Sharpe schaute in die traurigen Augen. Er hatte schon verwundete Pferde von ihrem Leid erlöst und genug Hasen, Kaninchen und Füchse geschossen, doch aus irgendeinem Grund konnte er den Abzug nicht betätigen, und dann wurde er aus seiner Not erlöst, als eine hohe, eifrige Stimme ihn vom anderen Ende des Feldes rief. »Mister Sharpe, Sir! Mister Sharpe!«
Sharpe löste den Hahn wieder, drehte sich um und sah Ensign Charles Nicholls über das Gras auf sich zu rennen. Nicholls war gerade erst in Spanien angekommen und rannte ständig, als hätte er Angst, der Krieg könne ihm entkommen. »Immer schön langsam, Mister Nicholls«, sagte Sharpe.
»Jawohl, Sir«, keuchte Ensign Nicholls, machte aber keinerlei Anstalten, den Rat zu befolgen. »Colonel Hogan, Sir«, sagte er, als er Sharpe erreichte, »er will Sie sehen, Sir. Er sagt, es seien die Froschfresser, Sir, und er sagt, wir müssen ein paar Froschfresser aufhalten, Sir, und es ist dringend.«
Sharpe warf sich das Gewehr über die Schulter. »Wir machen das dann später, Sergeant Major«, sagte er.
»Jawohl, Sir, natürlich werden wir das.«
Der Ochse schaute den Männern hinterher, senkte dann den Kopf und fraß weiter. »Wollen Sie ihn schießen, Sir?«, fragte Nicholls aufgeregt.
»Was haben Sie denn gedacht?«, erwiderte Sharpe. »Dass ich das Vieh erwürge?«
»Also, ich könnte so einen nicht erschießen, Sir«, gab Nicholls zu. »Der täte mir viel zu leid.« Er schaute Sharpe und Harper bewundernd an, und das war auch nicht verwunderlich, denn es gab niemanden in Wellingtons Armee, der mehr bewundert und gefürchtet wurde als diese beiden. Es waren Sharpe und Harper gewesen, die bei Talavera den französischen Adler erobert hatten. Sie waren bei Badajoz durch die mit Blut getränkte Bresche gestürmt, hatten während der Flucht aus Vitoria die große Straße überquert, und Nicholls konnte kaum glauben, dass er in ihrem Bataillon diente. »Glauben Sie, wir werden kämpfen müssen, Sir?«, fragte er aufgeregt.
»Ich hoffe nicht«, antwortete Sharpe.
»Nicht, Sir?« Nicholls klang enttäuscht.
»In drei Tagen haben wir Weihnachten«, sagte Sharpe. »Wollen Sie denn an Heiligabend sterben?«
»Nein, ich denke nicht, Sir«, gab Nicholls zu. Der Ensign war siebzehn, sah aber wie vierzehn aus. Er trug einen Uniformmantel aus zweiter Hand, auf den seine Mutter Tressen aus Goldspitze genäht hatte, und die Ärmel hatte er umgekrempelt, damit sie ihm nicht über die Hände hingen. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht«, hatte Nicholls Sharpe vor einer Woche erklärt, als er beim Bataillon eingetroffen war, »dass ich den Krieg verpassen würde. Einen Krieg zu verpassen, das wäre wirklich großes Pech.«
»Also für mich klingt das mehr nach Glück.«
»Nein, Sir! Ein Mann muss seine Pflicht erfüllen«, hatte Nicholls voller Inbrunst erklärt, und der Ensign bemühte sich wirklich eifrig, seine Pflichten zu erfüllen, und er ließ sich auch nicht entmutigen, wenn die Veteranen über seinen Eifer lachten. Er ist wie ein kleiner Hund, dachte Sharpe. Feuchte Nase, den Schwanz hoch und begierig darauf, seine Milchzähnchen in den Feind zu schlagen. Aber nicht an Weihnachten, dachte Sharpe, nicht an Weihnachten, und er hoffte auch, dass Hogan sich irrte und die Froschfresser nicht auf dem Marsch waren, denn Weihnachten war nicht die Zeit zum Töten.
»Vermutlich werden Sie nicht kämpfen müssen«, sagte Colonel Hogan und nieste heftig. Er malträtierte seine Nase mit einem riesigen
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