Sharpes Zorn (German Edition)
Sharpe an, während ihre Worte übersetzt wurden.
»Granaten?«, sagte Sharpe mit Unschuldsmiene. »Dann müssen es die französischen Mörser gewesen sein, Sir.«
Diese Äußerung hatte ein aufgeregtes Gespräch zur Folge, das der Botschafter zusammenfasste. »Die Reichweite der französischen Mörser, Sharpe, reicht nicht aus, um diesen Teil der Stadt zu treffen.«
»O doch, Sir«, widersprach Sharpe, »wenn man sie mit einer doppelten Ladung lädt.«
»Mit einer doppelten Ladung?«, hakte Lord Pumphrey vorsichtig nach.
»Mit doppelt so viel Pulver wie üblich, Mylord. So fliegt das Geschoss weiter. Allerdings besteht dann die Gefahr, dass das Geschütz dabei explodiert. Oder vielleicht haben sie ja irgendwo ordentliches Pulver gefunden, Sir. Was sie bis jetzt benutzt haben, ist Mist, mehr oder weniger Staub. Mit ordentlichem Holzkohlepulver könnten sie ihre Reichweite deutlich erhöhen. Das halte ich für das Wahrscheinlichste, Sir.« Sharpe erzählte diesen Unsinn in selbstbewusstem Ton. Immerhin war er der einzige Soldat im Raum und damit auch der Einzige, der überhaupt Ahnung von Pulver hatte. Also würde niemand ihm widersprechen.
»Dann also ein Mörser«, sagte Wellesley, und die beiden spanischen Diplomaten akzeptierten höflich das Märchen von dem französischen Beschuss. Und offenbar glaubten sie die Geschichte tatsächlich, zumal sie das Ganze trotz ihrer Entrüstung nicht wirklich zu kümmern schien. Sie hatten Protest eingelegt, weil sie protestieren mussten, doch es ergab keinen Sinn, sich mit Henry Wellesley auf eine längere Diskussion einzulassen, zumal er der Mann war, der die Junta de facto finanzierte. Und die Erklärung mit der erhöhten Reichweite der französischen Mörser würde die Wut in der Stadt besänftigen.
Die Diplomaten verabschiedeten sich voneinander und drückten ihr gegenseitiges Bedauern aus. Nachdem sie gegangen waren, lehnte sich Henry Wellesley auf seinem Stuhl zurück. »Lord Pumphrey hat mir erzählt, was in der Kathedrale geschehen ist. Das war eine Schande, Sharpe.«
»Eine Schande, Sir?«
»Es hat Tote gegeben!«, sagte Wellesley in ernstem Ton. »Wir wissen nicht, wie viele, und ich wage nicht, es zu erfragen. Im Augenblick klagt uns noch niemand an, aber das werden sie. O ja, das werden sie.«
»Wir haben das Geld gerettet, Sir«, sagte Sharpe, »und sie hatten nie die Absicht, uns die Briefe zu geben. Ich bin sicher, Lord Pumphrey hat Ihnen das erzählt.«
»Ja, das habe ich«, bestätigte Pumphrey.
»Und es war wirklich der Priester, der versucht hat, Sie zu betrügen?« Wellesley klang schockiert.
»Padre Salvador Montseny«, sagte Lord Pumphrey säuerlich.
Wellesley drehte sich mit seinem Stuhl, um aus dem Fenster zu schauen. Der Himmel war grau und ein leichter Nebel hing über dem Garten. »Ich hätte etwas wegen Padre Salvador unternehmen können«, sagte er und schaute weiter in den Nebel. »Ich hätte Druck ausüben und dafür sorgen können, dass man ihn auf Mission in irgendeine gottverlassene Ecke von Amerika schickt, doch das ist jetzt unmöglich. Ihr Handeln bei der Zeitung hat das unmöglich gemacht, Sharpe. Die Gentlemen gerade haben so getan, als würden sie uns glauben, aber sie wissen verdammt genau, dass Sie dafür verantwortlich waren.« Er drehte sich wieder um, und Wut zeigte sich in seinem Gesicht. »Ich habe Sie ermahnt, vorsichtig zu sein. Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollten den Anstand wahren. Wir dürfen die Spanier nicht verärgern. Sie wissen, dass die Zeitung zerstört worden ist, damit keine weiteren Briefe mehr veröffentlicht werden, und sie sind nicht glücklich darüber. Vielleicht werden sie sogar so weit gehen, den Männern, die die Briefe haben, neue Pressen zur Verfügung zu stellen! Grundgütiger, Sharpe! Wir haben ein niedergebranntes Haus, ein zerstörtes Geschäft, eine entweihte Kathedrale, Verwundete – und für was? Sagen Sie es mir! Für was?«
»Dafür, Sir«, antwortete Sharpe und legte das Exemplar des El Correo de Cádizauf den Tisch des Botschafters. »Ich glaube, das ist eine neue Ausgabe, Sir.«
»O Gott«, sagte Henry Wellesley. Er errötete, während er durch die Seiten blätterte und eine Kolumne nach der anderen mit den Briefen sah. »O Gott.«
»Davon gibt es nur dieses eine Exemplar«, berichtete Sharpe. »Den Rest habe ich verbrannt.«
»Sie haben sie verbrannt …«, begann der Botschafter. Dann versagte ihm die Stimme, denn Sharpe hatte damit begonnen, die kompromittierenden Briefe auf
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