Sharpes Zorn (German Edition)
Nachwirkungen eines solchen Kampfes wären enorm. »Tut mir leid, Jungs«, sagte er. Er wusste einfach nicht, was er tun sollte.
Sharpe wich bis an den alten Altar zurück. Die spanischen Soldaten bauten sich ihm gegenüber auf, die Gesichter finster und die Bajonette auf die Briten gerichtet. Die Laterne wurde auf den Boden gestellt, und in ihrem Licht sah Sharpe, dass die Hähne der Musketen gespannt waren. Er bezweifelte allerdings, dass die Waffen schießen würden. Es hatte einfach zu viel geregnet, und selbst das beste Musketenschloss konnte das Pulver vor so viel Regen nicht schützen. »Wenn die Bastarde auch nur einen Finger krümmen«, sagte Sharpe, »dann könnt ihr euch wehren. Aber nicht vorher.«
Der Offizier war vielleicht Mitte zwanzig, etwa zehn Jahre jünger als Sharpe. Er war groß und hatte ein breites, kluges Gesicht und ein hartes Kinn. Seine Uniform war zwar nass, doch der teure Stoff verriet, dass er aus einer wohlhabenden Familie stammte. Wieder stellte er Sharpe eine Frage, doch der zuckte nur mit den Schultern. »Wir haben nur Schutz vor dem Regen gesucht, Señor«, erklärte Sharpe auf Englisch.
Der Offizier stellte eine weitere Frage in unverständlichem Spanisch. »Nur Schutz vor dem Regen«, beteuerte Sharpe.
»Ihr Pulver ist bestimmt nass, Sir«, bemerkte Harper leise.
»Ich weiß. Aber ich will nicht, dass es zu einem Massaker kommt.«
Der Offizier hatte ihre Waffen inzwischen gesehen. Er bellte einen Befehl. »Er sagt, wir sollen die Waffen auf den Boden legen, Sir«, übersetzte Harris.
»Tut es«, sagte Sharpe. Das war ein verdammtes Ärgernis, dachte er. Vermutlich würden sie nun in einem spanischen Gefängnis landen, und dann war das Wichtigste die Vernichtung der Briefe, doch ein Gefängnis war nicht gerade der geeignete Ort dafür. Er legte seinen Säbel ab. »Wir haben nur Schutz vor dem Regen gesucht, Señor«, wiederholte er.
»Nein, das haben Sie nicht.« Der Offizier sprach plötzlich gutes Englisch. »Sie haben Señor Núñez’ Haus in Brand gesteckt.«
Sharpe war so überrascht von dem plötzlichen Sprachwechsel, dass er nicht wusste, was er darauf erwidern sollte. Er war noch immer halb in der Hocke, die Hand auf dem Säbel.
»Wissen Sie, was das hier für ein Ort ist?«, fragte der Spanier.
»Nein«, antwortete Sharpe vorsichtig.
»Das ist die Priorei der Göttlichen Hirtin. Früher war das mal ein Hospital. Mein Name ist Galiana, Capitán Galiana. Und Sie sind?«
»Sharpe«, antwortete Sharpe.
»Und Ihre Männer nennen Sie ›Sir‹. Also nehme ich an, dass Sie auch einen Rang bekleiden.«
»Captain Sharpe.«
»Divina Pastora«, sagte Galiana. »Die Göttliche Hirtin. Mönche lebten hier, und die Armen kamen auf der Suche nach Heilung zu ihnen. Es war ein Ort der Barmherzigkeit, Captain Sharpe, der christlichen Barmherzigkeit. Wissen Sie, was damit passiert ist? Natürlich nicht.« Er trat einen Schritt vor und trat Sharpes Säbel außer Reichweite. »Ihr Admiral Nelson ist passiert. Das war 97. Er hat die Stadt unter Beschuss genommen und hier den größten Schaden verursacht.« Mit einer weit ausholenden Geste deutete Galiana auf die ausgebrannte Kapelle. »Eine Granate, sieben tote Mönche und ein Feuer. Die Priorei musste schließen, weil das Geld für die Reparaturen fehlte. Mein Großvater hat sie gegründet, und meine Familie hätte sie auch repariert, doch unser Vermögen kommt aus Südamerika und Ihre Navy hat uns diese Einkommensquelle genommen. Das, Captain Sharpe, ist passiert.«
»Als das geschehen ist«, erwiderte Sharpe, »befanden wir uns im Krieg miteinander.«
»Aber jetzt sind wir nicht im Krieg«, sagte Galiana, »wir sind Verbündete. Oder ist das Ihrer Aufmerksamkeit entgangen?«
»Wir haben Schutz vor dem Regen gesucht«, sagte Sharpe noch einmal.
»Dann war es ja eine glücklich Fügung, dass das Tor unverschlossen war.«
»Sehr glücklich«, sagte Sharpe.
»Aber was ist mit dem Unglück des Señor Núñez? Er ist Witwer, Captain Sharpe, und er hat stets hart für seinen Lebensunterhalt gearbeitet, und nun liegt sein Geschäft in Trümmern.« Galiana deutete zur Kapellentür, hinter der Sharpe den Aufruhr auf der Straße hörte.
»Ich weiß nichts über einen Señor Núñez«, log er.
»Dann werde ich Sie aufklären«, erwiderte Galiana. »Er ist oder besser war der Besitzer einer Zeitung mit Namen El Correo de Cádiz. Es ist keine sonderlich bedeutsame Zeitung. Vor einem Jahr wurde sie noch in ganz Andalusien gelesen,
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