Sharpes Zorn (German Edition)
eintreffen.
Sharpe nahm das Fernrohr von Harper entgegen. Er schob es zusammen, und seine Finger glitten über die kleine Messingplatte, die außen in das Walnussholz eingelassen war. In Dankbarkeit, AW, 23. September 1803 stand darauf zu lesen, und Sharpe erinnerte sich an Henry Wellesleys respektlose Bemerkung, dass das Fernrohr, eine Arbeit von Matthew Berge in London, nie das großzügige Geschenk gewesen war, für das Sharpe es gehalten hatte, sondern einfach etwas, das Lord Wellington nicht mehr hatte haben wollen. Nicht, dass das von Bedeutung gewesen wäre. 1803, dachte er. So lange war das schon her! Sharpe versuchte sich an den Tag zu erinnern, als Lord Wellington, damals noch Sir Arthur Wellesley, benommen am Boden gelegen und er ihn beschützt hatte. Er glaubte, fünf Mann bei dem Kampf getötet zu haben, sicher war er sich aber nicht.
Die spanischen Pioniere legten die Planken über die letzten dreißig Fuß der Pontonbrücke. Ursprünglich waren die Planken am Stadtufer zurückgehalten worden, damit niemand die Brücke überquerte, der nicht autorisiert dafür war, doch jetzt sah Sharpe zu seiner Zufriedenheit, dass General Zayas es offenbar doch für besser hielt, die Brücke fertigzustellen, und die drei spanischen Bataillone machten sich zum Übersetzen bereit. Zayas hatte offensichtlich beschlossen, die Franzosen von hinten anzugreifen. »Wir gehen bald los«, sagte Sharpe zu Harper.
»Perkins«, knurrte Harper, »geh zu den anderen.«
»Darf ich nicht auch mal durch das Fernrohr sehen, Sergeant?«, bettelte Perkins.
»Dafür bist du noch nicht alt genug. Und jetzt: Bewegung!«
Es dauerte seine Zeit, bis die drei Bataillone den Fluss überquert hatten. Die Brücke, die aus Beibooten und nicht aus echten Pontons bestand, war schmal und schwankte besorgniserregend. Als Sharpe und seine Männer sich zu Capitán Galiana gesellten, hatten sich schon fast einhundert Neugierige aus San Fernando oder Cadiz am Ufer versammelt, und einige davon versuchten, die Wachtposten zu überreden, sie über die Brücke zu lassen. Andere kletterten die Dünen hinauf und richteten Fernrohre auf die Franzosen. »Sie halten jeden davon ab, über die Brücke zu gehen«, bemerkte Galiana nervös.
»Was die Zivilisten betrifft, so stimmt das wohl«, erwiderte Sharpe. »Was wollen Sie eigentlich tun, wenn Sie erst einmal auf der anderen Seite sind?«
»Tun?«, sagte Galiana. Offenbar wusste er nicht, was er darauf antworten sollte. »Ich werde mich nützlich machen«, sagte er. »Alles ist besser, als nichts zu tun.«
Das letzte spanische Bataillon hatte inzwischen die Brücke überquert, und Galiana trieb sein Pferd voran. Ein gutes Stück vor der Brücke saß er ab, um das Tier am Zügel über die unsicheren Planken zu führen, doch bevor er die Brücke erreichen konnte, stellten spanische Soldaten eine Barrikade auf den Weg und ein Offizier hob warnend die Hand.
»Er gehört zu mir«, erklärte Sharpe, bevor Galiana etwas sagen konnte. Der Offizier, ein großer Kerl mit breitem, unrasiertem Kinn, schaute Sharpe streitlustig an. Es war offensichtlich, dass er kein Englisch verstand, und er würde mit Sicherheit nicht zurückweichen. »Ich habe gesagt, er gehört zu mir«, wiederholte Sharpe.
Galiana sagte irgendwas auf Spanisch und deutete auf den Engländer. »Haben Sie Ihre Befehle?« Er wechselte wieder ins Englische und schaute zu Sharpe.
Sharpe hatte die Befehle vergessen. Galiana redete erneut auf den Offizier ein und erklärte ihm, Sharpe habe den Auftrag, Lieutenant General Sir Thomas Graham eine Nachricht zu überbringen. Die dazugehörigen Befehle seien auf Englisch, und das sprach der spanische Offizier doch sicherlich, oder? Und er, Galiana, sei Sharpes Verbindungsoffizier. Inzwischen hatte Sharpe seine Essenskarte herausgeholt, mit der er Anspruch auf Fleisch, Brot und Rum für fünf Riflemen aus den Lagern des Hauptquartiers in San Fernando hatte. Er hielt dem Spanier das Papier unter die Nase, der sich angesichts der feindseligen Riflemen und des eher sanftmütigen Galiana nun doch entschied, nachzugeben. Widerwillig gab der Offizier seinen Männern den Befehl, den Weg freizumachen.
»Ich habe Sie also doch gebraucht«, sagte Galiana. Er hielt die Zügel dicht am Kopf der Stute und klopfte ihr immer wieder den Hals, während sie vorsichtig über die schwankenden Planken gingen. Die Brücke war weit weniger robust als die, die Sharpe am Guadiana zerstört hatte. Sie erzitterte unter den Schritten
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