Sharpes Zorn (German Edition)
Gerüsten zugebaut. Der Haupteingang lag an einer schmalen Straße, auf der sich Baumaterial stapelte, und eine elegante Treppe führte zur Tür hinauf. Dort wartete Lord Pumphrey und trieb die Bettler mit seinem Ebenholzstock zurück. »Himmel, Richard«, begrüßte Seine Lordschaft Sharpe, »wo haben Sie denn diesen Mantel her?«
»Von einem Bettler.«
Lord Pumphrey war nüchtern gekleidet, doch seine dunkle Jacke und der lange schwarze Mantel rochen nach Lavendel. »Und? Hatten Sie einen produktiven Tag?«, fragte er leichthin und bahnte sich mit dem Stock einen Weg durch die Bettler. Schließlich erreichten sie die Tür.
»Vielleicht. Allerdings hängt alles davon ab, ob die Briefe nun bei dieser Zeitung sind oder nicht, nicht wahr?«
»Ich hoffe nach wie vor, dass es nicht so weit kommen wird«, sagte Lord Pumphrey. »Ich hoffe, dass unsere Erpresser mich kontaktieren werden.«
»Das haben sie noch nicht?«
»Nein, noch nicht«, bestätigte Lord Pumphrey. Er tunkte den Finger in die Weihwasserschale und strich sich die Flüssigkeit auf die Stirn. »Ich bin natürlich kein Papist, aber es kann ja nicht schaden, so zu tun. Der letzten Nachricht zufolge sind unsere Gegner bereit, uns die Briefe zu verkaufen, wenn auch zu einem verdammt hohen Preis. Ist das nicht furchtbar?« Die letzte Frage bezog sich auf das Innere der Kathedrale, das Sharpe jedoch keineswegs als furchtbar empfand, sondern lediglich als prachtvoll und riesig. Er blickte ein langes Kirchenschiff entlang, das von hohen Säulen flankiert war. In den Seitenschiffen befanden sich kleine Kapellen mit bunt bemalten Statuen, vergoldeten Altären und Kerzen, die von den Gläubigen angezündet worden waren. »Sie bauen jetzt schon über neunzig Jahre daran«, erklärte Lord Pumphrey, »und wegen des Krieges sind die Arbeiten fast völlig zum Erliegen gekommen. Aber ich nehme an, sie werden sie eines Tages fertig bauen. Hut ab.«
Sharpe nahm den Hut ab. »Haben Sie Sir Thomas geschrieben?«
»Ja, habe ich.« Lord Pumphrey hatte versprochen, Sir Thomas schriftlich zu bitten, dafür zu sorgen, dass die Riflemen auf der Isla de León verblieben und nicht nach Lissabon verschifft wurden. Im Laufe des Tages hatte der Wind auf Süd gedreht, und einige Schiffe waren bereits in Richtung Norden aufgebrochen.
»Heute Abend werde ich meine Männer holen«, sagte Sharpe.
»Sie werden sich in den Ställen einquartieren müssen«, sagte Lord Pumphrey, »und sie müssen so tun, als wären sie Botschaftsdiener. Wir gehen zur Vierung.«
»Zur Vierung?«
»Das ist die Stelle, wo Haupt- und Querschiff aufeinandertreffen. Darunter befindet sich eine Krypta.«
»Wo Plummer gestorben ist?«
»Wo Plummer gestorben ist. Wollten Sie das nicht sehen?«
Am anderen Ende der Kathedrale wurde noch gebaut. Dort, wo eines Tages der Hochaltar und das Allerheiligste stehen würden, gab es nur eine schlichte Ziegelmauer. Die Vierung davor war von gewaltigen Säulen eingerahmt und bildete den höchsten Punkt des Innenraums. Über Sharpe wurde an der Kuppel gearbeitet. Ein paar Männer kletterten auf den Gerüsten herum, die sich um die Säulen wanden und bis zur Basis der Kuppel reichten. Hoch oben hatte man einen Kran in die Gerüste eingebaut, und zwei Männer zogen gerade eine Plattform voller Baumaterial hinauf. »Haben Sie nicht gesagt, die Arbeiten seien eingestellt worden?«, fragte Sharpe.
»Vermutlich reparieren sie da gerade was«, antwortete Lord Pumphrey. Er führte Sharpe an einer Kanzel vorbei, hinter der man einen Torbogen in eine der massiven Säulen gebaut hatte. Eine Treppe führte nach unten. »Dort unten ist Captain Plummer seinem Schöpfer gegenübergetreten.« Lord Pumphrey deutete die Stufen hinab. »Ich würde seinen Tod ja gern bedauern, aber ich muss sagen, er war ein furchtbarer Kerl. Möchten Sie runter?«
»Natürlich.«
»Ich bezweifle allerdings stark, dass sie diesen Ort noch einmal als Treffpunkt wählen werden«, sagte Seine Lordschaft.
»Das hängt davon ab, was sie wollen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Wenn sie uns tot sehen wollen, dann werden sie diesen Ort wählen. Das hat schon einmal funktioniert, warum nicht wieder?«
Sharpe ging voraus und erreichte eine außergewöhnliche Kammer. Sie war kreisrund und hatte eine niedrige, gewölbte Decke. An einem Ende der Kammer stand ein Altar. Drei Frauen knieten vor dem Kruzifix, ließen den Rosenkranz durch ihre Finger gleiten und starrten zu dem Gekreuzigten hinauf. Lord Pumphrey ging auf
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