Sharpes Zorn (German Edition)
provisorischen Hochaltar und in den kleinen Kapellen in den Seitenschiffen. Die Flammen flackerten in dem Luftzug, der durch den riesigen Raum wehte. Mit dem Gewehr in der Hand ging Sharpe voraus. Er sah niemanden. An einer Säule lehnte ein Besen.
»Wenn es Ärger gibt«, sagte Sharpe, »dann werfen Sie sich flach auf den Boden.«
»Ich soll also nicht einfach wegrennen?«, erwiderte Lord Pumphrey schnippisch.
»Sie sind schon hinter uns«, erklärte Sharpe. Er hatte Schritte gehört, und als er zurückblickte, sah er zwei Männer in den Schatten am anderen Ende des Kirchenschiffs. Dann hörte er ein Kratzen und wie ein Riegel vorgeschoben wurde. Sie waren eingesperrt.
»Gütiger Herr Jesus!«, sagte Lord Pumphrey.
»Beten Sie, dass er auf unserer Seite ist, Mylord. Pat, da sind zwei Männer hinter uns. Sie bewachen die Tür.«
»Ich habe sie schon gesehen, Sir.«
Sie erreichten die Vierung, wo sich Quer- und Hauptschiff kreuzten. Die Gerüste an den Säulen verschwanden in der Dunkelheit unter der Kuppel. Pumphrey war bereits auf dem Weg zu den Stufen, die in die Krypta führten, doch Sharpe hielt ihn zurück.
»Warten Sie, Mylord«, sagte er und ging zu der Tür in der Ziegelmauer, die den Bereich abtrennte, wo dereinst das Allerheiligste stehen würde. Sie war abgeschlossen. Auf der Innenseite gab es weder Riegel noch Schloss, was hieß, dass sie von außen gesichert war. Sharpe fluchte. Er hatte einen Fehler gemacht. Er hatte angenommen, dass die Tür von innen verriegelt sein würde, doch als er das letzte Mal mit Lord Pumphrey hier gewesen war, hatte er nicht nachgesehen. Das hieß, dass ihnen der Rückzug abgeschnitten war. »Was ist?«, verlangte Lord Pumphrey zu wissen.
»Wir müssen uns einen anderen Weg hinaus suchen«, antwortete Sharpe. Er starrte in die Schatten der Gerüste hinauf, die die Vierung umgaben, und erinnerte sich daran, dort oben Fenster gesehen zu haben. »Wenn wir wieder rauskommen«, sagte er, »dann über die Leitern da.«
»Es wird keinen Ärger geben«, erklärte Lord Pumphrey nervös.
»Aber falls doch«, erwiderte Sharpe, »dann bleiben uns nur die Leitern.«
»Sie werden niemals einen Diplomaten angreifen«, beharrte Lord Pumphrey mit heiserer Stimme auf seiner Meinung.
»Für fünfzehnhundert Gold würde ich den König höchstpersönlich angreifen«, sagte Sharpe. Dann ging er die Treppe hinunter voraus. Kerzenlicht erhellte die große, runde Kammer. Sharpe ging fast bis zur untersten Stufe und kauerte sich hin. Er spannte den Hahn seines Gewehrs, und das an sich leise Geräusch kam als Echo zu ihm zurück. Zu seiner Rechten sah er eine zweite Treppe, und er konnte auch die drei Gänge sehen, die zu den Kavernen führten.
Vorsichtig rückte er eine weitere Stufe vor, bis er auch die restlichen beiden Gänge links erkennen konnte. Niemand war zu sehen, aber ein Dutzend Kerzen brannten auf dem Boden. Sie waren in einem weiten Kreis aufgestellt und hatten etwas Bedrohliches an sich, als hätte sich hier jemand auf ein finsteres, barbarisches Ritual vorbereitet. Die Wände waren kahl, und die flache Kuppel bestand aus grob behauenem Stein. Hier unten war kein Schmuck zu sehen. Die Kammer sah so nackt und kalt aus wie eine Höhle, und das war sie im Grunde genommen ja auch, erkannte Sharpe, denn die Krypta war einfach aus dem Fels gehauen worden, auf dem Cadiz stand. »Pass nach hinten auf, Pat«, flüsterte Sharpe, und seine Stimme hallte aus der Kammer zu ihm zurück.
»Ich halte die Augen auf, Sir«, erwiderte Harper.
Dann blitzte etwas Weißes in Sharpes Augenwinkeln auf. Er wirbelte herum, brachte das Gewehr in Anschlag und sah, dass ein Päckchen aus einem Gang auf der anderen Seite in die Kammer geworfen wurde. Es landete auf dem Boden, und das Geräusch verursachte eine Vielzahl von Echos, die erst verhallten, als das Päckchen fast genau in der Mitte des Kerzenrings zum Liegen kam. »Die Briefe.« Montsenys Stimme kam aus einem der dunklen Gänge. »Und ich wünsche Ihnen einen guten Abend, Mylord.«
Pumphrey erwiderte nichts darauf. Sharpe beobachtete die dunklen Eingänge zu den Tunneln, doch es war unmöglich zu erkennen, aus welcher Kaverne Montseny sprach. Das Echo verzerrte das Geräusch.
»Jetzt werden Sie das Gold ablegen, Mylord«, sagte Montseny, »dann nehmen Sie sich die Briefe, und unser Geschäft ist perfekt.«
Pumphrey zuckte, als wolle er gehorchen, doch Sharpe hielt ihn mit dem Gewehrlauf zurück. »Wir müssen uns die Briefe erst
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