Sharpes Zorn (German Edition)
der Sims war breit und schützte sie vor Schüssen aus der Vierung. Allerdings nahm Sharpe an, dass ihre Feinde schon bald die Gerüste raufklettern und sie an den Flanken angreifen würden. Er konnte die Männer unten reden hören, aber er hörte auch noch etwas Seltsames, etwas, das wie eine Schlacht klang. Es war ein Donnern wie Geschützfeuer. Es war mal lauter, mal leiser, und Sharpe erkannte, dass es der Wind war, der an den Planen über dem unfertigen Dach zerrte. Ein lautes Grollen übertönte alles, und das war der Donner. Der Sturm würde jedes Geräusch in der Kathedrale schlucken, und außerdem hatte Montseny die Türen verriegeln lassen. Der Priester würde nicht nach Soldaten schicken. Er wollte das Gold.
Eine Musketensalve hallte in der Kirche wider, und die Kugeln schlugen um den Tambour herum ein. Sharpe nahm an, dass die Salve als Feuerschutz für jemanden gedacht war, der eine Leiter hinaufkletterte. Erneut spähte er über den Rand des Tambours und sah einen Schatten an der Säule ihnen gegenüber. Er zielte und drückte ab. Der Mann wurde von den Sprossen gerissen und fiel zu Boden. Da er noch nicht sonderlich hoch gewesen war, konnte er noch in den Schutz des Chorgestühls kriechen.
»Haben Sie ein Messer?«, fragte Pumphrey.
Sharpe gab ihm sein Taschenmesser. Er hörte, wie die Schnur durchtrennt wurde, und dann das Rascheln von Papier. »Wollen Sie, dass Sergeant Harper ein Streichholz entzündet?«, bot er an.
»Nicht nötig«, antwortete Pumphrey. Er entfaltete ein großes Blatt Papier, und selbst im Halbdunkel des Tambours sah Sharpe, dass das Päckchen keine Briefe enthielt, sondern nur eine Zeitung, vermutlich den El Correo de Cádiz. »Sie hatten recht, Sharpe«, seufzte Pumphrey.
»Fünfzehnhundert Guineas«, sagte Sharpe. »Damit kann man sich zur Ruhe setzen. Pat, du und ich, wir könnten uns das Geld nehmen.« Sharpe hielt kurz inne und biss eine Patrone auf. »Wir könnten nach Amerika segeln, eine Schenke aufmachen und den Rest unseres Lebens gut leben.«
»Dafür brauche ich weder eine Schenke, Sir, noch fünfzehnhundert Guineas.«
»Aber schön wäre es, oder?«, erwiderte Sharpe. »So eine Schenke direkt am Meer? Wir könnten sie ›Lord Pumphrey‹ nennen.« Er holte einen Lederflicken aus seinem Munitionsbeutel, wickelte die Kugel darin ein und rammte sie in den Lauf. »Aber in Amerika gibt es keine Lords, oder?«
»Nein, gibt es nicht«, bestätigte Lord Pumphrey.
»Dann nennen wir sie vielleicht stattdessen ›Zum Botschafter und der Hure‹«, sagte Sharpe und steckte den Ladestock wieder an seinen Platz unter dem Lauf zurück. Er spannte den Hahn und legte an. Unten rührte sich nichts, was hieß, dass Montseny seine Taktik vermutlich überdachte. Er und seine Männer hatten gelernt, die Feuerkraft über sich zu fürchten, doch das würde sie nicht lange abschrecken, nicht, wenn es hier oben fünfzehnhundert englische Goldguineas zu holen gab.
»Das würden Sie doch nicht tun, Sharpe, oder?«, fragte Pumphrey nervös. »Ich meine, Sie haben doch nicht wirklich vor, sich das Geld zu nehmen?«
»Aus irgendeinem Grund, Mylord, bin ich ein loyaler Bastard. Gott weiß, warum. Aber Sergeant Harper ist Ire, und als Ire hat er genügend Gründe dafür, uns Engländer zu hassen. Ein Schuss aus diesem Salvengewehr, und wir beide sind tot. Fünfzehnhundert Guineas, Pat. Damit könntest du schon was anfangen.«
»Ja, das könnte ich, Sir.«
»Aber was wir jetzt erst einmal tun müssen«, sagte Sharpe, »ist, nach links zu gehen und zu diesem Fenster hinaufzuklettern.« Er deutete nach oben. Inzwischen hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt und er konnte den schwachen Lichtschimmer sehen, der durch das Fenster in der Kuppel fiel. »Und wenn wir da durch sind, gibt es ein Gerüst an der Außenwand. Daran können wir dann hinunterklettern und in der Stadt verschwinden wie Ratten im Loch.«
Doch um dorthin zu gelangen, würden sie über das Gerüst über dem Tambour klettern müssen. Dann ging es über eine schmale Planke und eine weitere Leiter hinauf, die auf die zerbrechlich wirkende Plattform unmittelbar unter dem Fenster führte. Die Leitern wurden genau wie die Gerüststangen mit Seilen an Ort und Stelle gehalten. Es war kein weiter Weg, keine dreißig Fuß hinauf und dann noch einmal so viel quer und wieder ein Stück hinauf. Aber um das zu schaffen, mussten sie durch das Schussfeld der Männer unten. Sharpe schätzte, dass sie es insgesamt mit acht oder
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