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Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Titel: Sherlock Holmes - Der Rote Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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nichts sehen. Er hat sich aber an die genaue Zeit erinnert. Was ist los, Mr. Holmes?«
    Mein Freund stand mit einem Ausdruck gespannter Aufmerksamkeit da und starrte auf die Stelle, wo die Eisenbahnschienen aus dem Tunnel heraustraten. Aldgate ist ein Knotenpunkt und es gab ein ganzes Netz von Weichen. Seine kühnen, fragenden Augen waren wie erstarrt.
    Ich sah, wie sich in seinem scharfgeschnittenen, wachen Gesicht die Lippen zusammenpreß-
    ten, sah, wie die Nasenflügel bebten und die schweren buschigen Augenbrauen sich zusam-menzogen - Zeichen, die ich so gut kannte. »Weichen«, murmelte er »die Weichen«
    »Was ist damit? Was meinen Sie?«
    »Ich könnte mir denken, daß es in diesem System eine ganze Reihe von Weichen gibt?«
    »Nein, es gibt nur wenige.«
    »Und auch die Kurve. Weichen und eine Kurve. Mein Gott, wenn es nur so wäre.«
    »Was ist denn, Mr. Holmes, haben Sie einen Anhaltspunkt?«
    »Eine Idee, einen Hinweis, mehr nicht. Aber der Fall wird bestimmt interessant. Einmalig, einfach einmalig. Und dennoch, warum nicht? Ich sehe keine Blutspuren auf den Schienen.«
    »Es gibt auch kaum Spuren von Blut.«
    »Aber der Mann hatte doch eine beträchtliche Wunde?«
    »Der Schädel war eingedrückt, aber äußerlich war er wenig verletzt. «
    »Aber etwas Blut müßte man doch wohl erwarten. Gibt es eine Möglichkeit, den Zug zu exa-minieren und mit dem Fahrgast zu reden, der den Aufprall im Nebel gehört haben will?«
    »Ich fürchte, das ist nicht möglich, Mr. Holmes. Der Zug ist inzwischen ganz anders wieder zusammengestellt.«
    »Mr. Holmes, ich kann Ihnen versichern, daß jeder Wagen sorgfältig durchsucht worden ist.
    Ich habe selbst dafür gesorgt«, sagte Lestrade.
    Eine ganz offensichtliche Schwäche meines Freundes ist die, daß er ungeduldig mit Leuten ist, die weniger intelligent als er reagieren.
    »Schon möglich«, sagte er und drehte sich fort. »Wie die Dinge stehen, wollte ich auch gar nicht die Abteile untersuchen. Watson, wir haben hier getan, was wir konnten. Mr. Lestrade, wir brauchen Sie nicht weiter aufzuhalten. Ich glaube, unsere Untersuchung wird jetzt in Woolwich weitergeführt werden müssen. «
    In London Bridge schickte Sherlock Holmes seinem Bruder ein Telegramm, das er mir zu lesen gab, bevor er es absandte. Es lautete folgendermaßen.
    »Sehe Licht in der Dunkelheit, kann aber auch ein Irrlicht sein. Sende mir bitte durch Boten in die Baker Street eine vollständige Liste aller fremden Spione und internationalen Agenten, die in England bekannt sind, mit vollständiger Adresse. Sherlock.«
    »Das sollte uns weiterhelfen, Watson«, sagte er, als wir unsere Plätze im Zug nach Woolwich einnahmen. »Wir müssen Bruder Mycroft wirklich dankbar sein, daß er uns zu einem, wie mir scheint, sehr interessanten Fall verholfen hat.«
    Sein kühnes Gesicht trug noch immer den Ausdruck einer intensiven, nervösen Energie. Für mich war es ein Hinweis darauf, daß neue und vielversprechende Prospekte sich ihm eröffnet hatten, denen er jetzt in Gedanken nachging. Ich vergleiche ihn manchmal mit einem Jagdhund, der mit hängenden Ohren und schleifendem Schwanz in seinem Käfig herumschleicht.
    Wie anders ist das Bild dieses Hundes, wenn er auf eine heiße Spur gestoßen ist, dann glänzen die stumpfen Augen und die Muskeln sind angespannt. Ein ähnlicher Wechsel war seit dem Morgen mit Holmes vor sich gegangen. Er unterschied sich total von der schlaffen, müden Gestalt, die im mausgrauen Morgenmantel noch vor ein paar Stunden so ruhelos in unserm vom Nebel umwallten Zimmer herumgelaufen war.
    »Es gibt Material, mit dem wir arbeiten können, und es gibt einen Horizont, einen Bereich, in den es hineingehört«, sagte er. »Ich war dumm, daß ich die Möglichkeiten nicht gleich ve rstanden habe.«
    »Für mich ist auch jetzt noch alles unverständlich genug.«
    »Das Ende ist mir auch noch dunkel und verschleiert, aber mir ist eine Idee gekommen, an der entlang wir arbeiten können. Der Mann ist woanders zu Tode gekommen und seine Leiche war auf dem Dach des Wagens. «
    »Auf dem Dach!«
    »Toll, nicht wahr? Aber bedenken Sie die Fakten. Kann es denn Zufall sein, daß er ausgerechnet dort gefunden wird, wo der Zug schlingert und schüttelt, wenn er um die Ecke kommt und über die Weichen muß? Ist das nicht genau die Stelle, an der jeder Gegenstand, der sich auf dem Dach eines Zuges befinden würde, herunterfallen müßte? Die Weichen haben keine rlei Einfluß auf das, was im Wagen

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