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Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Sherlock Holmes - Der Rote Kreis

Titel: Sherlock Holmes - Der Rote Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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Gedankengänge sind nie sehr kompliziert, Watson«, sagte er mit einem schalk-haften Lächeln. »Sie gehören in die Elementarklasse, wo man lernt, aus kleinen Hinweisen zu lernen. Ich könnte ein anderes Beispiel benutzen und Sie fragen, mit wem Sie heute morgen den Wagen geteilt haben.«
    »Wollen wir einmal klarstellen, daß ein neues Beispiel keine Erklärung ist«, sagte ich an-griffslustig.
    »Bravo, Watson! Eine Ihrer sehr würdige, logische Einwendung. Lassen Sie mich mal sehen, was waren die Punkte? Nehmen wir den letzten zuerst, den offenen Wagen. Sie sehen, daß Sie ein paar Spritzer auf dem linken Ärmel und oben an der Schulter Ihres Mantels haben. Hätten Sie in der Mitte des Wagens gesessen, hätten Sie entweder gar keine Spritzer abbekommen oder sie wären symmetrisch auf beide Seiten verteilt. Daher ist klar, daß Sie an der Seite gesessen haben. Daher ist ebenso klar, daß Sie einen Gefährten hatten.«
    »Das liegt auf der Hand.«
    »Absolut allgemeinverständlich, wie?«
    »Aber die Stiefel und das Bad!«
    »Genauso kindisch einfach. Sie haben die Angewohnheit, Ihre Stiefel auf bestimmte Weise zuzuschnüren. Jetzt sehe ich, daß sie mit einer gewaltigen Doppelschleife gebunden sind. So schnüren Sie niemals Ihre Stiefel. Sie müssen Sie deshalb ausgezogen haben. Wer hat sie Ihnen zugebunden? Ein Schuhmacher oder ein Junge in einem Bad. Ein Schuhmacher war es nicht, denn Ihre Stiefel sind fast neu. Nun, was bleibt übrig? Das Bad. Absurd, nicht wahr?
    Aber jedenfalls hat das Türkische Bad seinen Sinn erfüllt. «
    »Welchen Sinn?«
    »Sie sagten, Sie hätten es genommen, weil Sie Abwechslung brauchten. Soll ich Ihnen mal eine Abwechslung vorschlagen? Was halten Sie von Lausanne? Mein lieber Watson, Erster-Klasse-Fahrkarten und alle Ausgaben königlich bezahlt?«
    »Fabelhaft! Aber weshalb?«
    Holmes lehnte sich in seinem Sessel zurück und nahm das Notizbuch aus der Tasche.
    »Eine der gefährdetsten Klassen dieser Welt«, sagte er, »ist die der dahintreibenden, einsamen Frauen. Solch eine Frau mag die harmloseste und oft auch nützlichste unter den Sterblichen sein, aber sie lädt gewisse Elemente förmlich zum Verbrechen ein. Sie ist hilflos. Sie reist in der Welt umher. Sie hat Geld genug, sie kann von Land zu Land, von Hotel zu Hotel reisen, und oft genug geht sie in den Netzen fragwürdiger Pensionen und Gasthäuser verloren. Sie ist das verirrte Hühnc hen in der Welt der Füchse. Und wenn sie aufgefressen wird, vermißt sie kaum jemand. Ich habe wirklich Sorge, daß etwas dergleichen mit Lady Frances Carfax geschehen ist.«
    Ich war froh über diesen abrupten Abstieg vom Allgemeinen zum Besonderen. Holmes sah in seinen Notizen nach.
    »Lady Frances«, fuhr er fort, »ist die einzige Überlebende der Familie des verstorbenen Earl of Rufton. Das Gut ging, wie Sie sich erinnern werden, an die männliche Linie über. Die ihr zur Verfügung stehenden Mittel sind zwar begrenzt, aber sie besitzt sehr schönen alten spanischen Silberschmuck mit merkwürdig geschliffenen Diamanten, an dem sie sehr hängt - ja, zu sehr, denn sie weigert sich, ihn in einem Banktresor aufzubewahren, und trägt ihn immer mit sich herum. Eine etwas traurige Gestalt, diese Lady Frances, eine schöne Frau mittleren Alters, immer noch frisch und doch durch ein seltsames Schicksal das letzte Überbleibsel einer vor zwanzig Jahren noch ansehnlichen Flotte. «
    »Was ist denn mit ihr geschehen? «
    »Ah, ja, was ist mit Lady Frances passiert? Lebt sie oder ist sie tot? Das ist unser Problem. Sie ist eine Dame mit strikten Lebensgewohnheiten. Seit vier Jahren hat sie die Gewohnheit, alle vierzehn Tage an eine Miß Dobney zu schreiben, ihre alte Gouvernante, die seit langem im Ruhestand in Camberwell lebt. Miß Dobney hat mich konsultiert. Seit nahezu fünf Wochen hat sie nichts mehr von ihrer Lady gehört. Der letzte Brief war aus dem Hotel National in Lausanne abgesandt worden. Lady Frances scheint von dort abgereist zu sein, hat aber keine Adresse hinterlassen. Die Familie ist besorgt, und da sie ausgesprochen reich sind, ist keine Summe zu hoch, die Angelegenheit aufzuklären.«
    »Ist Miß Dobney die einzige Informationsquelle? Sie hatte doch sicherlich noch andere Brie f-kontakte.«
    »Auf einen Korrespondenten kann man sich immer verlassen, Watson: Das ist die Bank. Al-leinstehende Damen müssen auch leben, und ihre Scheckbücher sind kleine Tagebücher. Sil-vesters ist ihre Bank. Ich habe mir erlaubt, einen Blick auf

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