Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel
ansatzlos in den buschigen Bart über, der bis auf die Hemdbrust hing. Die Brauen waren struppig und bildeten über beiden Augen, deren Blick meinen Freund Holmes förmlich sezierte, einen durchgehenden Balken. Sowohl im Aussehen, als auch in seinem Gehabe erinnerte mich dieser Mensch frappant an den sonderbaren Gelehrten Professor Challenger, mit dem wir bereits die Ehre hatten, zusammenarbeiten zu dürfen.
„Was bedeutet dieser Aufmarsch?“, tobte Sir Richard.
Doch Holmes hob beschwichtigend die Hand, bevor er ruhig und besonnen antwortete: „Mein werter Sir Richard Huntington. Mein Name ist Sherlock Holmes und der Herr zu meiner Rechten hört auf den Namen Dr. Watson. Ah, Ihrem Blick und Ihrer anschwellenden Arteria carotis entnehme ich, dass Ihnen unsere Namen bekannt sind. Gut, gut, dann lassen Sie mich gleich zur Sache kommen. Der fürchterliche Mord an Ihrem Bediensteten Craven ist eine Tragödie, die sicherlich in den gehobenen Kreisen der Aristokratie für enormes Aufsehen sorgen wird. Eine umfassende Untersuchung der Polizei wirft unangenehme Fragen auf. Erst recht, wenn Scotland Yard in den Fall involviert ist. Daher empfehle ich Ihnen mir zu gestatten, eigene Ermittlungen anzustellen. Als privater beratender Detektiv kann ich sehr viel diskreter vorgehen, als ein Beamter Ihrer Majestät. Wie geht es übrigens Ihrer Frau Gemahlin? Ich hoffe doch schon sehr viel besser. Vielleicht sollte mein geschätzter Freund, Dr. Watson, ein ausgezeichneter Mediziner, einmal nach ihr sehen.“
„Wie können Sie es … ähm … woher wissen Sie denn, dass es meiner Frau Rosa nicht wohl ist?“
Holmes lächelte schmal und antwortete: „Nichts leichter als das.
Als wir die Halle betraten, öffnete uns das Hausmädchen die Tür. Auf einem Silbertablett, welches sie auf einem kleinen Tisch neben der Eingangstür abgestellt hatte, um zu öffnen, sah ich eine Kanne frisch aufgebrühten Kamillentees. Daneben stand eine Schüssel mit heißem Wasser und Essig, in dem ein gefaltetes Tuch lag. Da ich Ihre Frau nirgends erblickte und aus der Küche bereits das geschäftige Klappern von Geschirr vernahm, blieb eigentlich nur Ihre Gemahlin als Patientin übrig. Offensichtlich ein Magenleiden.“
„Das stimmt. Ja. Allerdings glaube ich kaum, dass ein Arzt Abhilfe leisten kann. Sollte sie dennoch einen brauchen, lasse ich nach Dr. Pensmith schicken. Darüber hinaus lege ich keinen Wert auf einen weiteren Schnüffler auf meinem Anwesen. Der tragische Unfall meines Bediensteten wurde bereits von der örtlichen Polizei untersucht.
Und jetzt bitte ich Sie alle ein letztes Mal, mein Haus zu verlassen, bevor die Hunde meinem Wunsch Nachdruck verleihen.“ Sir Richard sprach gefährlich leise und keiner der Anwesenden zweifelte am Wahrheitsgehalt seiner Worte. Gemeinsam mit Inspektor Hopkins und Pater Hamworth, der schweigend hinter mir und meinem Freund gestanden hatte, traten wir den Rückzug an. An der Tür erwartete uns wieder das Hausmädchen, das uns schüchtern lächelnd die Tür aufhielt. Hamworth und Hopkins gingen als Erste hinaus, während ich innehielt und sie nach dem Namen fragte.
Sie machte einen höflichen Knicks und antwortete: „Mary, Sir.“
„Arbeitest du schon lange für die Herrschaften?“
„Gut ein Jahr, Sir.“
„Kam es in diesem Jahr, vorzugsweise in Vollmondnächten, zu ungewöhnlichen Vorfällen?“
Plötzlich lag nackte Angst im Blick des Mädchens. „Sir, ich … ich … darf … Nein!“
Ich konnte die Ungeduld meines Freundes fast körperlich spüren.
Gleich würde er sich auf Mary stürzen, wie ein Bluthund auf seine Beute, um die Befragung selbst fortzusetzen. Schnell sprach ich weiter: „Bitte, Mary. Wenn du etwas über den Mord an Mr Craven weißt, dann musst du es uns sagen.“
„Ich habe bereits bei der Polizei von Canterbury meine Aussage gemacht, Sir.“
„Nun gut. Dann kannst du mir vielleicht noch sagen, was deine Herrin plagt? Ist es der Magen?“
„Ja, Sir. Lady Huntington, ist heute Morgen mit einem fürchterlichen Bauchgrimmen erwacht, das ihr beinahe den Leib zu sprengen drohte. Ihr Bauch wölbte sich grotesk hervor und sie musste einige Male heftig erbrechen. Aber ihr Zustand scheint sich von Stunde zu Stunde zu bessern.“
„Danke, Mary.“
„Bitte sehr, Sir.“
Ich ging hinaus und blieb vor dem Portal stehen. So sah ich, wie sich Holmes zu dem Mädchen hinunterbeugte und ihr leise einige Fragen stellte. Dann bedankte er sich, tippte sich mit dem
Weitere Kostenlose Bücher