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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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wusste um mein Geheimnis. Er war Inhaber einer elenden Kneipe in der Swandam Street, wo ich einkehrte, um von dort jeden Morgen als schmutziger Bettler hervorzugehen und mich abends wieder zum wohlanständigen Städter umzuwandeln. Dieser Mensch, ein eingewanderter Malaie, wurde von mir für sein Zimmer gut bezahlt, und somit wusste ich, dass mein Geheimnis bei ihm wohl verwahrt blieb.
    Sehr bald zeigte es sich, dass ich ganz bedeutende Summen einnahm. Ich glaube kaum, dass jeder Straßenbettler in London siebenhundert Pfund im Jahr zusammenbringen kann – und dies ist weniger als meine Durchschnittseinnahme betrug – aber mir kam der Umstand zustatten, dass ich mich außergewöhnlich gut herrichten konnte und stets eine schlagfertige Gegenrede bereit hatte, eine Fähigkeit, die mit der Zeit zunahm, sodass ich schließlich zu einer stadtbekannten Persönlichkeit wurde. Eine Menge Kupfermünzen, mit Silberstücken gemischt, flossen mir im Laufe des Tages zu, und schlecht war die Einnahme, wenn sie einmal unter zwei Pfund betrug.
    Mit dem Reichwerden nahm auch der Ehrgeiz zu. Ich bezog ein Landhaus, heiratete sogar, und niemand hatte eine Ahnung von meiner eigentlichen Beschäftigung. Meine gute Frau wusste, dass ich in der Stadt zu tun hatte. Was es aber war, vermutete sie nicht.
    Letzten Montag hatte ich mein Tagewerk eben beendigt und kleidete mich in meinem Zimmer über der Opiumkneipe um, als ich aus dem Fenster sah und zu meinem Staunen und Entsetzen bemerkte, dass meine Frau auf der Straße stand und mich fest ins Auge gefasst hatte. Ich stieß einen Schrei der Überraschung aus, erhob die Hände, um mein Gesicht zu verhüllen, und stürzte zu dem Wirt, meinem Vertrauten, um ihn anzuflehen, doch ja niemand einzulassen. Wohl hörte ich ihre Stimme von unten, doch wusste ich, dass sie nicht heraufkommen könne. Schnell warf ich meine Kleider von mir, zog mein Bettlergewand an, schminkte mich und stülpte die Perücke auf. Selbst das Auge der eigenen Frau vermochte diese vollständige Verwandlung nicht zu durchschauen. Aber dann fiel mir ein, dass das Zimmer durchsucht werden und die Kleider mich verraten könnten. Eilig riss ich das Fenster auf, und bei dieser heftigen Bewegung öffnete sich eine kleine Wunde wieder, die ich mir an jenem Morgen in meinem Schlafzimmer zugezogen hatte. Dann ergriff ich meinen Rock, beschwerte ihn mit den Kupfermünzen, die ich aus der Ledertasche nahm, in der ich mein Erworbenes wegzutragen pflegte, und schleuderte ihn zum Fenster hinaus, wo er in der Themse verschwand. Die anderen Kleidungsstücke sollten folgen, aber im selben Augenblick hörte ich von der Treppe her das Nahen von Schutzleuten, und wenige Minuten nachher wurde ich zu meiner großen Erleichterung, ich muss es bekennen, anstatt als Neville St. Clair erkannt zu werden, als dessen Mörder festgenommen.
    Es wird wohl kaum weiterer Aufklärungen bedürfen. Ich war fest entschlossen, meine Maske so lange als möglich beizubehalten, und daher also kam meine Vorliebe für das schmutzige Gesicht. Da ich wohl wusste, dass meine Frau entsetzlich in Angst sein würde, zog ich meinen Ring ab und vertraute ihn dem Malaien in einem Augenblick an, als mich gerade kein Polizeimann beobachtete, zugleich mit einem eiligst beschriebenen Fetzen Papier an meine Frau, der ihr sagen sollte, dass kein Grund zur Sorge vorliege.«
    »Dieser Zettel erreichte sie erst gestern«, sagte Holmes.
    »Großer Gott! Welche angstvolle Woche muss sie verbracht haben!«
    »Die Polizei hat den Wirt bewacht«, erklärte der Inspektor, »und ich kann mir wohl denken, dass es ihm schwer genug geworden ist, den Brief unbeobachtet zur Post zu bringen. Wahrscheinlich hat er ihn irgendeinem Matrosen seiner Kundschaft übergeben, der ihn wohl ein paar Tage lang vergessen haben mag.«
    »Ja, ja«, sagte Holmes mit zustimmendem Kopfnicken, »ohne Zweifel war es so. Doch sind Sie nie wegen Bettelns belangt worden?«
    »Freilich, oftmals; aber was kümmerte mich eine Geldstrafe?«
    »Doch hiermit muss es nun ein für allemal vorbei sein«, sagte Brad Street. »Soll die Polizei diese Geschichte totschweigen, darf es keinen Hugo Boone mehr geben.«
    »Das habe ich mir selbst bei dem heiligsten Eid, den ein Mann leisten kann, geschworen.«
    »In diesem Fall halte ich es für wahrscheinlich, dass keinerlei weitere Schritte geschehen werden. Doch sollten Sie je wieder beim Betteln betroffen werden, dann muss alles an den Tag kommen. Ihnen, Mr Holmes, sind wir für die

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