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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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4.‹
    ›Was, den rothaarigen Mann?‹
    ›Ja.‹
    ›Der heißt William Morris. Er ist Anwalt und benutzte mein Zimmer nur vorübergehend, bis sein neues Lokal fertig wurde. Er ist gestern umgezogen.‹
    ›Wo kann ich ihn finden?‹
    ›In seinem neuen Büro.‹ – Er gab mir die Adresse: King Edward Street 17, bei St. Paul.
    Ich machte mich rasch auf den Weg, Mr Holmes; als ich dort ankam, fand ich eine Fabrik von Gummistrümpfen, und kein Mensch hatte je etwas von William Morris oder von Duncan Ross gehört.«
    »Was taten Sie dann?«, fragte Holmes.
    »Ich ging nach Hause und fragte meinen Gehilfen um Rat. Doch vermochte der mir in keiner Weise zu helfen. Er meinte nur, wenn ich wartete, würde ich gewiss brieflich etwas erfahren. Das genügte mir aber nicht, Mr Holmes. Solch eine Stelle wollte ich nicht so ohne Weiteres verlieren, und da ich erfuhr, dass Sie so freundlich sind, armen Leuten in der Not Rat zu erteilen, kam ich geradewegs zu Ihnen.«
    »Daran taten Sie recht. Ihre Geschichte ist ganz merkwürdig, und ich will sie mit dem größten Vergnügen zu enträtseln suchen. Ihren Mitteilungen entnehme ich, dass die Sache ernstere Folgen haben kann als auf den ersten Blick erscheinen mag.«
    »Ernst genug!«, sagte Wilson. »Ich habe ja vier Pfund wöchentlich verloren.«
    »Was Sie persönlich betrifft«, bemerkte Holmes, »so haben Sie nicht gerade viel Grund zur Unzufriedenheit mit diesem seltsamen Bund. Irre ich nicht, sind Sie um etwa dreißig Pfund reicher geworden, ganz abgesehen von der eingehenden Kenntnis, die Sie von allem, was mit dem Buchstaben A beginnt, erlangten. Verloren haben Sie also nichts durch die Leute.«
    »Nein, Mr Holmes. Aber ich will dahinterkommen, will wissen, wer die Leute sind und weshalb sie mir diese Posse gespielt haben – wenn es eine Posse ist. Ihnen kam der Spaß ziemlich teuer zu stehen, zweiunddreißig bare Pfund hat er sie gekostet.«
    »Wir werden uns Mühe geben, diese Punkte für Sie aufzuklären. Vorerst einige Fragen, Mr Wilson: Wie lange war der Gehilfe, der zuerst Ihre Aufmerksamkeit auf die Anzeige lenkte, damals schon bei Ihnen?«
    »Damals ungefähr einen Monat.«
    »Wie kam er zu Ihnen?«
    »Durch ein Inserat in der Zeitung.«
    »War er der einzige, der sich meldete?«
    »Nein, ich hatte ein Dutzend Anmeldungen.«
    »Warum wählten Sie gerade ihn?«
    »Weil er geschickt war und billige Anforderungen stellte.«
    »Für halben Lohn – nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Wie sieht er aus, dieser Vincent Spaulding?«
    »Er ist klein, untersetzt, sehr gelenkig und trägt keinen Bart, obwohl er vielleicht nahe an dreißig ist. Auf der Stirn hat er eine weiße Narbe.«
    Ganz aufgeregt fuhr Holmes in die Höhe. »Dacht ich’s doch«, sagte er. »Haben Sie je bemerkt, dass seine Ohren durchstochen sind zum Einhängen von Ohrringen?«
    »Ja. Er sagte mir, eine Zigeunerin habe ihm die Ohrlöcher gestochen, als er ein Knabe war.«
    »Hm«, meinte Holmes und versank in tiefes Nachdenken. »Ist er noch bei Ihnen?«
    »Jawohl; eben erst verließ ich ihn.«
    »Wurden Ihre Geschäfte während Ihrer Abwesenheit ordentlich besorgt?«
    »Darüber lässt sich nicht klagen, am Morgen ist nie sehr viel zu tun.«
    »Das genügt, Mr Wilson. Hoffentlich vermag ich Ihnen schon in den allernächsten Tagen meine Ansicht über die Sache mitzuteilen. Heute ist Sonnabend, vielleicht können wir am Montag zu einem Ergebnis gelangen.«
    »Nun, Watson, was denken Sie von der Geschichte?«, fragte Holmes, als uns der Mann verlassen hatte.
    »Ich denke gar nichts«, erwiderte ich offen. »Das ist eine ganz dunkle Geschichte.«
    »Je wunderlicher die Fälle, umso weniger dunkel sind sie meist«, versetzte Holmes. »Die ganz alltäglichen Verbrechen ohne besondere Merkmale lassen sich am schwersten durchschauen, genau wie sich ein alltägliches Gesicht am schwersten wiedererkennen lässt. In dieser Angelegenheit tut aber Eile not.«
    »Was wollen Sie denn anfangen?«, fragte ich.
    »Rauchen«, gab er zurück. »Der Fall verlangt drei volle Pfeifen, und ich bitte Sie, fünfzig Minuten lang nicht mit mir zu sprechen.« Er kauerte sich in dem Lehnstuhl zusammen, zog die Knie fast herauf bis an seine Habichtsnase und schloss die Augen, während seine schwarze Tonpfeife wie der Schnabel eines seltsamen Vogels in die Luft ragte. Ich glaubte, er sei eingeschlafen, und nickte selbst ein bisschen, da sprang er plötzlich auf, wie jemand, der zu einem Entschluss gekommen ist, und legte seine Pfeife auf den

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