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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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durch die Menge hatte. Auf der Treppe flutete es hin und her, hoffnungsvoll stiegen die einen empor, enttäuscht kamen die anderen herab; wir schlugen uns durch, so gut es ging, und kamen glücklich ins Büro.«
    »Das ist ja eine recht heitere Geschichte«, bemerkte Holmes, als der Klient sich unterbrach, um sein Gedächtnis durch eine gewaltige Prise zu stärken. »Bitte, fahren Sie fort.«
    »Im Büro standen nur ein paar hölzerne Stühle und ein Tisch aus Tannenholz, an dem ein kleiner Mann saß, dessen Haar noch roter war als das meinige. An jeden Kandidaten, der hereintrat, richtete er ein paar Fragen, und fand dann an jedem etwas auszusetzen, das ihn für die Anwartschaft ungeeignet erwies. Die Freistelle zu erlangen, schien schließlich nicht so ganz leicht zu sein. Als aber endlich die Reihe an uns kam, zeigte sich der kleine Mann mir gewogener als allen übrigen; er schloss die Tür, um mit uns ein Wort allein zu reden.
    ›Das ist Mr Jabez Wilson‹, sagte mein Gehilfe, ›er ist geneigt, die freie Stelle zu übernehmen.‹
    ›Er scheint sich trefflich dazu zu eignen‹, erwiderte der kleine Mann, ›und erfüllt alle Bedingungen. Ich erinnere mich nicht, je so feines Haar gesehen zu haben.‹ Er trat einen Schritt zurück, legte den Kopf auf die Seite und starrte mein Haar an, bis ich selbst rot wurde. Dann neigte er sich plötzlich vorwärts, schüttelte mir die Hand und gratulierte mir warm zu meinem Erfolg.
    ›Jedes Bedenken wäre eine Ungerechtigkeit‹, sagte er. ›Doch werden Sie gewiss eine nötige Vorsichtsmaßregel entschuldigen.‹ Hierbei griff er mit beiden Händen in mein Haar und zauste es, bis ich vor Schmerzen aufschrie. ›Ihre Augen tränen‹, sagte er, mich loslassend, ›dieser Beweis genügt. Wir müssen vorsichtig sein, denn zweimal wurden wir hintergangen, einmal durch eine Perücke, ein andermal durch künstliche Färbung. Von Mixturen könnte ich Ihnen Geschichten erzählen, bei denen einem die Menschheit zum Ekel wird.‹ Er trat ans Fenster und schrie aus Leibeskräften hinaus, dass die ausgeschriebene Stelle besetzt sei. Ein Stöhnen der Enttäuschung drang herauf, die Menge verlief sich in die verschiedensten Richtungen, und bald war bis auf meinen Rotschopf und den des Beamten kein anderer mehr zu sehen.
    ›Ich heiße Duncan Ross‹, sagte er, ›und bin selbst ein Pfründner des Kapitals, das uns unser edler Wohltäter hinterließ. Sind Sie verehelicht, Mr Wilson? Haben Sie Familie?‹
    Ich erwiderte, dass ich keine besitze.
    Er nahm eine bedenkliche Miene an.
    ›Oh je!‹, sprach er bedauernd. ›Das ist freilich sehr misslich! Schade, schade! Wissen Sie, das Kapital sollte nämlich ebenso sehr zur Vermehrung und Verbreitung der Rothaarigen als zu ihrer Erhaltung dienen. Es trifft sich sehr unglücklich, dass Sie Junggeselle sind.‹
    Bei seinen Worten machte ich ein langes Gesicht, Mr Holmes, denn ich fürchtete, schließlich die Stelle doch nicht zu erhalten; er überlegte noch eine Weile und meinte dann, es werde sich schon machen.
    ›Handelte es sich um einen anderen‹, sagte er, so würde dieser Umstand ein entschiedenes Hindernis sein, aber wer einen Kopf voll solcher Haare aufzuweisen hat wie Sie, bei dem darf man es nicht so genau nehmen. Wann würden Sie Ihren neuen Posten antreten können?‹
    ›Nun, so einfach ist die Sache nicht, denn ich habe schon ein Geschäft.‹
    ›Da machen Sie sich keine Sorgen, Mr Wilson!‹, sagte Spaulding. ›Das kann ich statt Ihrer schon besorgen.‹
    ›Welche Stunden wären einzuhalten?‹, fragte ich.
    ›Von zehn bis zwei.‹
    Das Pfandleihgeschäft geht abends am flottesten, Mr Holmes, besonders Donnerstag- und Freitagabend, vor dem Zahltag; es war mir also ganz angenehm, in den Vormittagsstunden etwas zu verdienen. Auch konnte ich mich auf meinen Gehilfen verlassen. Ich sagte daher: ›Das passt mir sehr gut! Und wie ist die Bezahlung?‹
    ›Vier Pfund wöchentlich.‹
    ›Und die Arbeit?‹
    ›Ist kaum der Rede wert.‹
    ›Was nennen Sie ,kaum der Rede wert‘?‹
    ›Sie müssen die ganze Zeit über im Kontor oder wenigstens hier im Haus sein. Verlassen Sie es, setzen Sie Ihre ganze Stellung aufs Spiel. Über diesen Punkt ist die letztwillige Verfügung sehr bestimmt.‹
    ›Es sind ja nur vier Stunden am Tag, und es fiele mir gar nicht ein, wegzugehen.‹
    ›Entschuldigungen würden auch absolut nicht angenommen‹, versicherte Mr Ross, ›mag nun die Ursache Krankheit, ein Geschäft, oder sonst etwas sein.

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