Sherlock Holmes - gesammelte Werke
Arbeiter; ich kann nicht über ihn klagen.«
»Ich setze voraus, dass er noch bei Ihnen ist?«
»Ja, Mr Holmes. Er und ein vierzehnjähriges Mädchen, das etwas kochen kann und das Reinmachen besorgt – ist mein ganzes Personal im Haus. Wissen Sie, ich bin kinderloser Witwer. Wir drei leben ruhig beieinander, und wenn wir es auch nicht weit bringen, so haben wir doch unser Auskommen und machen keine Schulden. – Alles ging glatt, bis die Anzeige erschien. Gerade heute vor acht Wochen tritt Spaulding mit diesem Blatt in der Hand ins Geschäft und spricht:
›Wollte Gott, Mr Wilson, ich hätte rote Haare!‹
›Weshalb?‹, frage ich.
›Weshalb?‹, gibt er zurück. ›Weil hier wieder eine Freistelle im Bund der Rothaarigen ausgeschrieben ist. Für den, der sie kriegt, ist’s wirklich ein kleines Vermögen, und wie ich sehe, gibt es mehr freie Stellen als Bewerber, sodass die Verwaltung nicht mehr weiß, wohin mit dem Geld. Ließe sich doch mein Haar umfärben – in dies behagliche Nestchen setzte ich mich gern.‹
›Nanu, wie verhält sich denn die Sache?‹, fragte ich. Sehen Sie, Mr Holmes, ich bin eine richtige Hausunke, und da ich des Geschäfts wegen nicht auszugehen brauche, setze ich den Fuß oft wochenlang nicht über die Schwelle. Auf diese Weise erfahre ich wenig von dem, was draußen vor sich geht, und freue mich daher immer, etwas Neues zu hören.
›Wissen Sie gar nichts vom Bund der Rothaarigen?‹, fragte er und riss die Augen auf.
›Gar nichts.‹
›Wirklich nicht? Das nimmt mich wunder, denn Sie selbst könnten Ansprüche auf eine Stelle erheben.‹
›Und was wirft sie denn ab?‹, fragte ich.
›Mehr nicht als ein paar hundert im Jahr, doch ist die Arbeit gering, und man kann dabei auch seinen sonstigen Beschäftigungen nachgehen.‹
Da können Sie sich wohl denken, Mr Holmes, dass ich die Ohren spitzte, denn in den letzten Jahren ging das Geschäft nicht brillant, und so ein paar hundert nebenbei wären mir gerade gelegen gekommen.
›Erzählen Sie mir Näheres davon‹, bat ich.
›Sie sehen ja selbst‹, sagte Spaulding und wies auf die Anzeige, ›dass eine Vakanz des Bundes ausgeschrieben ist, und hier ist die Adresse, an die man sich zu wenden hat. Soviel ich in Erfahrung bringen konnte, wurde der Verein durch einen amerikanischen Millionär, Ezekiah Hopkins, gegründet, der ein rechter Sonderling gewesen sein muss. Bei seinem Tod fand sich ein Testament, in welchem er sein enormes Vermögen zur Errichtung einer Stiftung für Rothaarige bestimmte. Die Zinsen des Kapitals sollten dazu verwendet werden, solchen Leuten eine bequeme und auskömmliche Existenz zu verschaffen.‹
›Da werden sich wohl Millionen Rothaarige melden?‹, warf ich ein.
›Keineswegs‹, erwiderte er. ›Die Stiftung beschränkt sich auf die Londoner und auf erwachsene Männer. Der Amerikaner hatte seine Jugend in London verlebt und wollte der alten Heimat eine Wohltat erweisen. Ferner hörte ich, es sei ganz nutzlos sich zu melden, wenn das Haar nur rotblond oder rotbraun ist; auf ein grelles, brennendes Rot kommt es an. Sollten Sie Lust haben, sich zu melden, ist Ihnen die Stelle sicher; vielleicht aber lohnt es sich kaum für Sie, sich wegen ein paar hundert Pfund zu bemühen.‹ –
Wie Sie sich selbst überzeugen können, meine Herren, ist meine Haarfarbe wirklich so feurig und lebhaft, dass ich mir als Bewerber Erfolg versprechen konnte, so gut wie jeder andere. Spaulding schien von der Sache so viel zu wissen, dass ich dachte, er könne mir behilflich sein; ich hieß ihn daher den Laden schließen und gleich mit mir gehen. Der freie Tag kam ihm gerade recht, wir machten die Bude zu und begaben uns zu der im Blatt angegebenen Adresse.
Das war ein Anblick, Mr Holmes! Von Nord und Süd, von Ost und West war alles herbeigelaufen, was nur einen rötlichen Schimmer auf dem Kopf aufzuweisen hatte! In Fleet Street wimmelte es von Rothaarigen. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass es so viele rote Köpfe in London gebe, wie sie allein diese Anzeige zusammenführte. Jede Schattierung war vertreten – stroh-, zitronen-, orangegelb, ziegel-, leber-, lehmrot, doch hatten, wie Spaulding erklärte, nur wenige leuchtendes, flammendes Rot aufzuweisen. Als ich die Zahl der Bewerber sah, wäre ich am liebsten gleich wieder umgekehrt, davon aber wollte Spaulding nichts hören. Wie er es fertig brachte, begreife ich jetzt noch nicht, aber er stieß, puffte und knuffte nach allen Seiten, bis er mich
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