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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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sorgfältig in seinem Taschenbuch. »Und nun lassen Sie uns zusammen das Haus besichtigen, um uns zu überzeugen, ob der sonderbare Einbrecher nicht vielleicht doch irgendetwas mitgenommen hat.«
    Zuerst untersuchte mein Freund die erbrochene Tür. Offenbar hatte man das Schloss mit einem starken Messer oder einem Meißel aufgesprengt. Man sah noch die Spuren am Holz, wo das Werkzeug hineingetrieben worden war.
    »Legen Sie nachts keine Eisenstangen vor?«, fragte er.
    »Wir hielten es bisher für unnötig.«
    »Sie haben auch keinen Hund?«
    »Doch. Aber er ist hinter dem Haus angekettet.«
    »Wann geht die Dienerschaft zu Bett?«
    »Gegen zehn Uhr.«
    »Nicht wahr, auch William schlief gewöhnlich schon um diese Stunde?«
    »Jawohl.«
    »Sonderbar, dass er gerade heute Nacht noch so spät auf war. – Jetzt lassen Sie uns bitte ins Haus gehen, Mr Cunningham.«
    Aus einem mit Steinfliesen belegten Gang, in den die Küchenräume mündeten, gelangte man auf einer hölzernen Stiege unmittelbar zum Vorplatz des ersten Stockwerks, zu dem auch die reichverzierte Haupttreppe aus der unteren Halle hinaufführte. Sowohl die Türen des Wohnzimmers als mehrerer Schlafzimmer gingen auf diesen Vorplatz hinaus, darunter auch diejenigen der beiden Cunninghams.
    Holmes besichtigte die ganze Bauart des Hauses genau und schritt nur langsam vorwärts. Ich sah an seinem Gesichtsausdruck, dass er eine Fährte gefunden hatte, die er eifrig verfolgte; jedoch nach welcher Richtung hin, ahnte ich nicht im Geringsten.
    »Mein bester Herr«, sagte der Friedensrichter etwas ungeduldig, »Sie machen sich ganz unnütze Mühe. Dort, der Treppe gegenüber, ist mein Zimmer und daneben das meines Sohnes. Nun urteilen Sie selbst, ob es möglich war, dass der Dieb hier heraufkommen konnte, ohne dass wir das Geräusch hörten.«
    »Sie wollen wohl überall herumsuchen, ob Sie nicht eine neue Spur entdecken«, sagte der Sohn mit spöttischem Lächeln.
    »Ich möchte Sie doch bitten, mich noch etwas gewähren zu lassen. Zum Beispiel wünsche ich festzustellen, wieweit man aus den Schlafstubenfenstern die Vorderseite des Hauses überblicken kann. – Dies also ist Ihres Sohnes Zimmer«, sagte er, die Tür aufstoßend, »und dahinter liegt vermutlich das Ankleidezimmer, wo er mit seiner Pfeife saß, als der Lärm entstand. Nach welcher Seite hinaus sieht denn das Fenster?« Er ging durch das Schlafzimmer, öffnete die Tür zu dem anstoßenden Gemach und sah sich darin um.
    »Hoffentlich sind Sie nun zufrieden«, sagte Cunningham ärgerlich.
    »Jawohl, danke. Das war, glaube ich, alles, was ich sehen wollte.«
    »Wir können auch noch in mein Zimmer gehen, wenn es durchaus sein muss.«
    »Falls es Ihnen nicht unbequem ist.«
    Der Friedensrichter zuckte die Achseln und führte uns in seine Schlafstube, einen ganz einfach ausgestatteten Raum. Als die Übrigen zum Fenster gingen, blieb Holmes etwas zurück, sodass wir beide die Letzten waren. Am Fußende des Betts, auf einem kleinen Tisch, standen eine Wasserflasche und ein Teller mit Orangen. Auf einmal streckte Holmes zu meiner größten Verwunderung rasch die Hand aus und stieß das Tischchen um, samt allem, was darauf war. Das Glas zerbrach in tausend Stücke, das Wasser floss auf den Teppich, und die Früchte rollten im ganzen Zimmer umher.
    »Aber Watson, was haben Sie angerichtet!«, rief Holmes ohne Besinnen. »Das ist ja eine schöne Bescherung.«
    Ich bückte mich in nicht geringer Verlegenheit, um die Früchte aufzulesen, denn ich begriff wohl, dass mein Gefährte irgendeinen triftigen Grund haben müsse, mir die Ungeschicklichkeit in die Schuhe zu schieben. Die anderen halfen mir und richteten den Tisch wieder auf.
    »Oho«, rief der Inspektor, »wo ist er denn hingeraten?«
    Holmes war verschwunden.
    »Warten Sie einen Augenblick hier«, sagte Alec Cunningham, »mir scheint, der Mensch ist nicht ganz bei Sinnen. Komm, Vater, wir wollen sehen, was aus ihm geworden ist.«
    Sie eilten beide hinaus, während der Inspektor, der Oberst und ich einander verwundert ansahen.
    »Meiner Treu, ich glaube, Mr Alec hat recht«, sagte der Polizeibeamte. »Vielleicht ist es eine Nachwirkung der Krankheit, aber ich muss gestehen …«
    Seine Rede wurde plötzlich durch das Geschrei »Zu Hilfe, zu Hilfe, Mord, Mord!« unterbrochen. Schaudernd erkannte ich meines Freundes Stimme und stürzte wie wahnsinnig auf den Vorplatz hinaus. Die Hilferufe klangen jetzt schwach und heiser aus der Stube, die wir zuerst betreten

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