Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
Vom Netzwerk:
Cunninghams Aussage hatte der Räuber William Kirwan erschossen und dann augenblicklich die Flucht ergriffen. War dies richtig, konnte nicht er es gewesen sein, der den Zettel aus des Toten Hand gerissen hatte. Dies musste vielmehr der junge Cunningham selbst getan haben, denn als sein Vater herunterkam, waren bereits mehrere Diener auf den Schuss herbeigeeilt. Wie einleuchtend das auch ist, so hatte der Inspektor diesen Punkt doch übersehen, weil er von vornherein annahm, dass die beiden Gutsbesitzer bei der Sache nicht beteiligt wären. Mein Hauptgrundsatz ist aber, ohne jegliches Vorurteil zu Werke zu gehen und einfach den Tatsachen zu folgen, wohin sie mich führen. So kam es, dass mir die Rolle, welche Alec Cunningham gespielt hatte, gleich auf der ersten Stufe der Untersuchung in zweifelhaftem Lichte erschien.
    Hierauf besichtigte ich die abgerissene Ecke des Zettels genau, die mir der Inspektor eingehändigt hatte. Es wurde mir sofort klar, dass sie ein Teil des wichtigsten Beweisstücks sei. Hier ist das Papier. Bemerken Sie etwas besonders Auffallendes daran?«
    »Die Schrift ist ziemlich ungleichmäßig«, sagte der Oberst.
    »Jawohl«, rief Holmes. »Auch steht es ganz außer Frage, dass sie von zwei Leuten herrührt, die immer abwechselnd ein Wort geschrieben haben. Sehen Sie hier, die verschiedenen f in ›auf‹ und ›zwölf‹; vergleichen Sie die Schleifen des d und den Buchstaben e, werden Sie mir gewiss beipflichten. Die Wörter ›auf‹, ›wo‹, ›etwas‹, ›und‹ sind von einer kräftigeren Hand geschrieben als die übrigen, das lässt sich nicht verkennen.«
    »Wahrhaftig, man sieht es ganz genau«, rief der Oberst. »Wozu in aller Welt sollten aber zwei Menschen einen Brief auf solche Art abfassen?«
    »Es handelte sich offenbar um ein unlauteres Geschäft, und der eine Schreiber, der dem anderen misstraute, bestand darauf, dass sie die Verantwortung zu gleichen Teilen tragen müssten. Der, welcher das ›auf‹ und ›wo‹ geschrieben hat, war natürlich der Anstifter.«
    »Woraus schließen Sie denn das?«
    »Man könnte es schon nach dem Charakter der Schrift selbst mit Gewissheit behaupten. Aber ich habe noch bestimmtere Gründe dafür. Betrachten Sie das Papier aufmerksam, und Sie werden zu der Überzeugung gelangen, dass der Mann mit der festeren Hand seine Wörter zuerst geschrieben und den Platz, den der andere ausfüllen sollte, leer gelassen hat. Der Raum genügte nicht immer, weshalb die Wörter ›drei Viertel‹ und ›erfahren‹ so eng zusammengedrängt sind. Von dem Mann, welcher zuerst geschrieben hat, ist der Mordplan ausgegangen.«
    »Vortrefflich!«, rief Acton.
    »Auch lassen sich noch dreiundzwanzig andere Schlüsse aus der Handschrift ziehen, über Alter, Verwandtschaft und dergleichen, welche aber nur für Schriftkundige interessant sein dürften. Sie dienten alle dazu, mich in der Ansicht zu bestärken, dass die beiden Cunninghams, Vater und Sohn, den Brief geschrieben hatten.
    Nachdem ich so weit gelangt war, musste ich natürlich noch die Einzelheiten des Verbrechens in Betracht ziehen. Ich ging mit dem Inspektor zum Haus und besichtigte alles, was zu sehen war. Die Wunde des Toten rührte von einem Revolverschuss her, welcher auf wenigstens vier Meter Entfernung abgegeben worden war, das konnte ich mit vollkommener Sicherheit feststellen. Die Kleider waren nicht im Mindesten vom Pulver geschwärzt. Offenbar hatte Alec Cunningham gelogen, als er behauptete, er habe zwei Männer miteinander ringen sehen und dann sei der Schuss gefallen. Auch in Betreff der Stelle, wo der Mörder über die Hecke gesprungen ist, stimmten Vater und Sohn überein. Dort war aber zufällig gerade ein ziemlich breiter Graben. Da nun auf dessen feuchtem Grund keinerlei Fußspuren zu sehen waren, kam ich zu der Überzeugung, dass die Cunninghams überhaupt die Unwahrheit gesagt hatten und dass gar kein fremder Räuber an dem Tatort zugegen gewesen sei.
    Nun galt es, den Beweggrund des seltsamen Verbrechens zu finden. Als ich überlegte, welchen Zweck der erste Einbruchsdiebstahl bei Mr Acton gehabt haben könne, fiel mir der Prozess zwischen den beiden Gutsbesitzern ein, von dem Sie, Herr Oberst, gesprochen hatten. Ich fragte mich, ob die Cunninghams nicht vielleicht in die Bibliothek eingedrungen wären, um sich irgendeiner Urkunde zu bemächtigen, die bei dem Rechtsstreit von Wichtigkeit wäre.«
    »Ganz richtig«, sagte Acton, »das war ohne Zweifel ihre Absicht. Ich habe die

Weitere Kostenlose Bücher