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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Ferne lag eine Häuserreihe, aus deren oberen Stockwerken vereinzelte Lichtschimmer drangen. Auf der anderen Seite bemerkte ich rote Eisenbahnsignallichter.
    Der Wagen, der mich hergebracht hatte, war bereits verschwunden. Ich stand da, stierte nach allen Seiten in die Nacht hinaus und fragte mich neugierig, wo in aller Welt ich nur sein könnte, als ich in der Dunkelheit jemanden auf mich zukommen sah. Als er nahe bei mir war, erkannte ich, dass es ein Gepäckträger war.
    ‚Können Sie mir sagen, was für ein Ort das ist?‘, fragte ich.
    ‚Gemeinde Wandsworth‘, sagte er.
    ‚Kann ich noch einen Zug zur Stadt erreichen?‘
    ‚Wenn Sie so etwa ein halbes Stündchen bis nach Clapham Junction gehen‘, sagte er, ‚werden Sie gerade noch den letzten Zug nach Victoria fassen.‘ –
    So endete mein Abenteuer, Mr Holmes. Ich weiß nicht, wo ich gewesen bin und mit wem ich gesprochen habe, und überhaupt nichts, als was ich Ihnen soeben erzählte. Aber das weiß ich, dass dort ein Verbrechen vor sich geht, und ich will dem Armen helfen, wenn ich kann. Ich habe am nächsten Morgen die ganze Geschichte Mr Mycroft Holmes erzählt und dann auch der Polizei gemeldet.«
    Eine kurze Weile saßen wir unter dem Eindruck dieses höchst absonderlichen Berichtes stillschweigend da. Dann warf Sherlock seinem Bruder einen Blick zu und fragte:
    »Schritte getan?«
    Mycroft langte nach den ›Daily News‹, die auf einem Nachbartisch lagen.
    »Belohnung zugesichert für jede Auskunft über das Verbleiben eines Griechen namens Paul Kratides, der des Englischen nicht mächtig ist, ebenso für jede Auskunft über eine Griechin mit Vornamen Sophie. Mitteilungen unter X. 2473.«
    Dies stand in allen Tagesblättern. Keine Antwort.
    »Wie ist’s mit der griechischen Gesandtschaft?«
    »Ich habe nachgefragt. Sie wissen nichts.«
    »Dann also Depesche an die Athenische Polizei.«
    »In Sherlock konzentriert sich die Tatkraft der ganzen Familie«, sagte Mycroft, zu mir gewendet. »Gut, fasse du den Fall von allen Enden an und sage mir’s dann, wenn du etwas herausgebracht hast!«
    »Gewiss«, antwortete mein Freund und stand auf. »Du sollst es hören und Mr Melas auch. Übrigens, Mr Melas, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich auf meiner Hut sein; denn sie müssen natürlich durch diese Anzeigen erfahren, dass Sie nicht reinen Mund gehalten haben.«
    Als wir heimgingen, trat Holmes in ein Postamt, an dem wir vorüberkamen, und schickte mehrere Telegramme ab.
    »Sie sehen, Watson«, bemerkte er, »das war kein verlorener Abend. Meine interessantesten Fälle sind mir zum Teil in dieser Weise durch Mycroft zugetragen worden. Das Problem, von dem wir eben hörten, lässt zwar nur eine Erklärung zu, bietet aber immerhin einiges Besondere.«
    »Haben Sie Hoffnung, es zu lösen?«
    »Nun, da wir schon so viel wissen, müsste es merkwürdig zugehen, wenn wir nicht auch noch das Übrige aufdeckten. Sie müssen sich doch selbst irgendeine Theorie zur Erklärung der mitgeteilten Tatsachen gebildet haben.«
    »So ungefähr, ja.«
    »Wie haben Sie sich also die Sache gedacht?«
    »Es scheint mir klar, dass diese Griechin von dem jungen Engländer namens Latimer entführt worden ist.«
    »Entführt, von wo? Aus Athen vielleicht?«
    Sherlock Holmes schüttelte den Kopf. »Dieser junge Mann sprach kein Wort Griechisch. Die Dame redete ziemlich gut Englisch. Also ist sie kurze Zeit in England gewesen, aber er nicht in Griechenland.«
    »Gut, also wir wollen annehmen, dass sie nach England zu Besuch gekommen war und dass dieser Harald sie überredet hat, mit ihm zu fliehen.«
    »Das ist sehr wahrscheinlich.«
    »Dann kommt der Bruder – denn in diesem Verwandtschaftsverhältnis, denke ich mir, stehen sie zueinander – aus Griechenland her, um dazwischenzutreten. Unvorsichtigerweise gibt er sich in die Gewalt des jungen Mannes und seines älteren Genossen. Sie halten ihn fest und wollen ihn zwingen, Papiere zu unterzeichnen und so das Vermögen des Mädchens, dessen Vormund er ist, herauszugeben. Er weigert sich. Um mit ihm zu verhandeln, brauchen sie einen Dolmetscher und suchen sich diesen Melas aus, nachdem sie sich vorher eines anderen bedient haben. Dem Mädchen hat man von der Ankunft des Bruders gar nichts gesagt, und sie trifft ihn durch bloßen Zufall.«
    »Ausgezeichnet, Watson!«, rief Holmes. »Ich glaube wahrhaftig, Sie haben nicht weit daneben geschossen. Sie sehen, wir halten alle Karten in der Hand und haben höchstens eine

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