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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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plötzliche Gewalttat ihrerseits zu fürchten. Geben sie uns Zeit, so haben wir sie.«
    »Aber wie können wir die Lage des Hauses ausfindig machen?«
    »Nun, ist unsere Annahme richtig und heißt oder hieß die Schwester Kratides, sollte es uns nicht schwerfallen, ihre Spur aufzufinden. Das muss unsere erste Hoffnung sein, denn der Bruder ist natürlich hier ganz unbekannt. Offenbar hat der junge Engländer schon vor einiger Zeit das Verhältnis mit dem Mädchen angeknüpft – wenigstens vor einigen Wochen, da der Bruder erst davon hören und dann von Griechenland herkommen musste. Haben sie während dieser ganzen Zeit an derselben Stelle gewohnt, wird sich schon jemand auf Mycrofts Anzeige melden.«
    Unter diesen Gesprächen hatten wir unser Haus in der Baker Street erreicht. Holmes ging die Treppenstufen voran, und als er die Tür zu seinem Zimmer öffnete, wollte er kaum seinen Augen trauen. Als ich ihm über die Schulter blickte, war ich nicht minder überrascht. Sein Bruder Mycroft saß mit einer Zigarre im Mund im Lehnstuhl.
    »Komm herein, Sherlock! Komm herein!«, sagte er, über unsere erstaunten Gesichter lächelnd. »Du traust mir so viel Energie nicht zu, Sherlock? Aber dieser Fall hat mir’s angetan.«
    »Wie bist du hierher gekommen?«
    »Ich überholte euch in einer Droschke.«
    »Hat sich etwas Neues herausgestellt?«
    »Ich habe eine Antwort auf meine Anzeige.«
    »Ah!«
    »Ja, sie kam wenige Minuten nach eurem Weggang.«
    »Und was besagt sie?«
    Mycroft Holmes zog ein Blatt Papier hervor. »Hier ist sie«, sagte er, »mit einer I-Feder auf holzfreies Adlerpapier von einem schwächlichen Mann in mittlerem Lebensalter geschrieben. Sie lautet:
    Auf Ihre Anzeige vom heutigen Tag gestatte ich mir, Ihnen mitzuteilen, dass ich die fragliche Dame recht gut kenne. Wenn Sie mich aufsuchen wollten, könnte ich Ihnen Genaueres über ihre traurige Lebensgeschichte mitteilen. Zurzeit wohnt sie in The Myrtles in Beckenham.
    Ihr ergebener I. Dawenport.«
    »Sein Brief kommt von Unter-Brixton«, sagte Mycroft Holmes. »Meinst du nicht, Sherlock, wir fahren jetzt zu ihm und lassen uns von ihm das Genauere erzählen?«
    »Mein lieber Mycroft! Das Leben des Bruders ist wertvoller als die Geschichte der Schwester. Ich meine, wir gehen nach Scotland Yard ins Hauptpolizeiamt, nehmen dort Inspektor Gregson mit und wenden uns unverzüglich nach Beckenham. Wir wissen, dass das Leben eines Menschen auf dem Spiel steht, und jede Stunde Verzögerung kann für ihn den Tod bedeuten.«
    »Wollen wir unterwegs nicht auch Mr Melas abholen?«, schlug ich vor, »wir brauchen vielleicht einen Dolmetscher.«
    »Ausgezeichnet!«, sagte Sherlock Holmes. »Schicke den Jungen nach einer Droschke, und es kann sofort losgehen!« Während er sprach, zog er eine Schublade seines Schreibtisches auf und ließ einen Revolver in die Tasche gleiten. »Ja«, sagte er auf einen fragenden Blick von mir, »nach dem, was wir gehört, haben wir es mit ganz verzweifelten Burschen zu tun.«
    Es war bereits ziemlich dunkel, als wir die Pall Mall und Mr Melas’ Wohnung erreichten. Er war fort. Ein Herr hätte ihn soeben aufgesucht, und beide hätten sich dann entfernt, sagte man uns.
    »Können Sie mir sagen, wohin?«, fragte Sherlock Holmes.
    »Ich weiß nicht«, sagte die Frau, welche uns aufgemacht hatte. »Ich weiß nur, dass er mit dem Herrn in einem Wagen weggefahren ist.«
    »Nannte der Herr, als er sich anmelden ließ, seinen Namen?«
    »Nein.«
    »War es nicht ein großer, schöner Mann mit schwarzem Haar?«
    »O nein, es war ein kleiner Herr mit einer Brille, einem spitzen Gesicht, aber sehr manierlich, denn er lachte die ganze Zeit, während er sprach.«
    »Vorwärts!«, rief Sherlock Holmes, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. »Das wird ernst«, bemerkte er, als wir wieder eingestiegen waren. »Sie haben Melas wieder in ihre Gewalt gebracht. Er besitzt keinen physischen Mut, wie er durch sein Benehmen in der letzten Nacht bewiesen hat. Dieser Schurke hat es fertiggebracht, ihn wieder vom ersten Moment an völlig einzuschüchtern. Zweifellos bedürfen sie seiner Dienste als Dolmetscher; aber dann werden sie ihn für seinen ›Verrat‹, wie sie es nennen, züchtigen wollen.«
    Wir hatten gehofft, mit dem Zug ebenso schnell oder noch schneller als der Wagen nach Beckenham zu kommen. Aber im Hauptpolizeiamt dauerte es länger als eine Stunde, bis wir den Inspektor gefunden und die Formalitäten erledigt hatten, ohne die wir in das Haus nicht

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