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Sherlock Holmes - Im Zeichen der Vier

Sherlock Holmes - Im Zeichen der Vier

Titel: Sherlock Holmes - Im Zeichen der Vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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glänzenden Glatze und derselbe Kranz borstiger, rötlicher Haare und dasselbe blutleere Gesicht. Doch dieses Gesicht hatte ein starres, schreckliches Lächeln aufgesetzt, ein geronnenes und unnatürliches Grinsen, das einem mehr auf die Nerven ging als ein finsterer Blick oder ein schmerzverzerrter Ausdruck. Das Gesicht in jenem stillen, mondhellen Zimmer war dem unseres kleinen Freundes so ähnlich, daß ich mich nach ihm umdrehte, um mich zu
    vergewissern, daß er tatsächlich noch bei uns war. Dann rief ich mir ins Gedächtnis, daß er erwähnt hatte, sein Bruder und er wären Zwillinge.
    »Das ist ja schrecklich!« sagte ich zu Holmes. »Was soll man da jetzt tun?«
    »Die Tür müssen wir aufkriegen«, antwortete er und sprang mit voller Wucht dagegen.
    Das Schloß quietschte und ächzte, aber gab nicht nach. Zusammen warfen wir uns noch einmal dagegen, und diesmal gab die Tür mit einem knackenden Laut nach, so daß wir uns plötzlich in Bartholomäus Sholtos Zimmer befanden.
    Anscheinend hatte man diese Dachkammer als chemisches Laboratorium eingerichtet. Eine doppelte
    Reihe von mit Glasstöpseln verschlossenen Flaschen stand in einem Regal an der Wand gegenüber der Tür, und der Tisch war vollständig bedeckt mit einem Durcheinander von Bunsenbrennern,
    Reagenzgläsern und Retorten. In den Ecken standen Säureballons in geflochte-
    nen Weidenkörben. Einer von ihnen schien zerbrochen oder leck zu sein, denn eine dunkelfarbene
    Flüssigkeit war ausgelaufen und die Luft war mit einem eigentümlich beißenden, teerartigen Geruch geschwängert. Mitten unter umherliegenden Latten und Mörtelstücken stand eine Trittleiter, und darüber befand sich in der Decke eine Öffnung, die groß genug war für einen Mann, um sich da durchzuzwängen.
    Am Fuße der Trittleiter lag, achtlos hingeworfen, ein aufgewickeltes Seil.
    Am Tisch saß in einem Lehnstuhl der Hausherr, ganz zusammengesunken, der Kopf war ihm auf die linke Schulter gefallen, und sein Gesicht zeigte ein gräßliches, unergründliches Lächeln. Er war steif und kalt und mußte offenbar schon viele Stunden tot sein. Es kam mir so vor, als ob nicht nur seine Gesichtszüge, sondern alle seine Glieder in der phantastischsten Weise verdreht und verzerrt waren. Auf dem Tisch lag neben seiner Hand ein seltsames Instrument: ein enggemaserter Stock mit einem Steinkopf wie ein Hammer, der mit grobem Bindfaden primitiv angebunden war. Daneben lag ein abgerissenes Blatt aus einem Notizbuch, auf das ein paar Worte hingekritzelt waren. Holmes blickte darauf und reichte es dann mir.
    »Sehen Sie selbst«, sagte er mit einem bezeichnenden Hochziehen der Augenbrauen.
    Beim Licht der Laterne las ich mit Schaudern: »Das Zeichen der Vier.«
    »Um Gottes willen, was hat das alles zu bedeuten?« fragte ich.
    »Es bedeutet Mord«, sagte er und beugte sich über den toten Mann. »Ah! Dachte ich mir's doch. Sehen Sie sich das an!«
    Er deutete auf etwas, das wie ein langer dunkler Dorn aussah, der gerade über dem Ohr in der Haut steckte.
    »Es sieht aus wie ein Dorn«, sagte ich.
    »Es ist ein Dorn. Sie können ihn herausziehen. Aber seien Sie vorsichtig, denn er ist vergiftet.«
    Ich ergriff ihn mit Zeigefinger und Daumen und zog ihn heraus. Er löste sich so leicht von der Haut, daß er kaum eine Spur hinterließ. Nur ein winziger Blutfleck zeigte an, wo der Einstich gewesen war.»Das ist alles ein unlösbares Rätsel für mich«, sagte ich. »Es wird immer mysteriöser und dunkler statt heller.«
    »Im Gegenteil«, antwortete er, »jeden Augenblick wird es klarer. Es fehlen mir bei dem Puzzle nur noch ein paar Stücke, um das Bild vollständig zusammensetzen zu können.«
    Wir hatten unseren Begleiter beinahe vergessen, seit wir die Bodenkammer betreten hatten. Er stand immer noch in der Tür, schreckensbleich und zitternd, rang seine Hände und stöhnte vor sich hin.
    Plötzlich brach er in einen schrillen, jammervollen Schrei aus.
    »Der Schatz ist fort!« stieß er hervor. »Sie haben ihm den Schatz geraubt! Da ist das Loch, durch welches wir ihn herunterholten. Ich half ihm dabei! Ich war der letzte, der ihn gesehen hat! Ich verließ ihn hier gestern abend und hörte ihn die Tür zuschließen und verriegeln, als ich die Treppen hinunterging.«
    »Um welche Zeit war das?«
    Es war zehn Uhr. Und jetzt ist er tot, und man wird die Polizei rufen, und ich werde in Verdacht geraten, meine Hand dabei im Spiel zu haben. Oh ja, dessen bin ich ganz sicher. Aber Sie denken so etwas

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