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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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Burg Zingel
    Jener mittelalterliche Baumeister, der den Platz für die Burg ausgesucht hatte, war sehr umsichtig gewesen. Der Hasenstein ähnelte von Ferne einem aufrecht stehenden, geköpften Ei. Ob die riesige Plattform hoch oben natürlichen Ursprungs gewesen war oder ob menschliche Kräfte nachgeholfen und die Kuppe abgetragen hatten, ließ sich nicht mehr sagen. Unzweifelhaft befand sich die Burg in einer günstigen strategischen Lage. An drei Seiten fielen die schroffen Felswände so steil ab, dass nichts, was viel größer als eine Ameise war, an ihnen hochklettern konnte. An der Frontseite der Burg verlief ein fünf Meter breiter und zwanzig Meter tiefer Wallgraben, der links und rechts an beiden Seiten in schier bodenlose Abgründe mündete. Er war vor Jahrhunderten unter sehr großen Mühen in den Stein getrieben worden, wie sich an vielen Riefen und Vorsprüngen ablesen ließ. Auf dieser hohen Felsinsel thronte die Burg, und sie schien uneinnehmbar zu sein.
    »Auf den ersten Blick lässt sich kaum feststellen, wo der Fels aufhört und wo die Burgmauer beginnt«, sagte ich und ließ meinen Blick über das eindrucksvolle Bauwerk schweifen.
    Wir standen rund fünfzig Meter vom Eingang entfernt. Der Aufstieg war problemlos zu bewältigen gewesen. An manchen Stellen hatte es sogar noch Reste einer alten Pflasterstraße gegeben. Dem gefährlichen Hochmoor waren wir nicht begegnet. Kein Sumpf hatte uns verschlungen.
    »Die Quader scheinen in einem nahe gelegenen Steinbruch gebrochen worden zu sein«, erwiderte Holmes. »Im Laufe der Zeiten sind sie völlig mit dem Berg verschmolzen – rein optisch jedenfalls.«
    Zingel bestand aus einer inneren und einer äußeren Burg. Die Höhe der Mauer schwankte in Abhängigkeit vom Niveau des Untergrundes zwischen vier und fünf Metern. Oben verlief ein überdachter Wehrgang mit Schießscharten. An allen vier Seiten und über dem Eingangstor standen Türme, von denen die beiden hinteren als Ausgucke gedient hatten. Nur die beiden vorderen und der mittlere mit seinen vorspringenden Pechnasen besaßen eine kampfentscheidende Bedeutung, da von ihnen der Weg zum Tor unter Beschuss genommen werden konnte. Die Mauerkronen wurden von Spanischen Reitern [ 1 ] bekränzt, die zusätzlich mit Stacheldraht umwickelt worden waren.
    Holmes zeigte hinauf und fragte mich: »Findest du es nicht merkwürdig, dass die Außenmauern so massiv gesichert wurden? Der letzte Krieg liegt bereits Jahrzehnte zurück.«
    »Einbrecher gibt es überall. Hier in dieser Wildnis wird der Hausherr wohl besonders große Angst haben. Das kann ihm niemand verdenken.«
    »Wovor soll er sich fürchten? Vor akrobatischen Diebesgesellen, die über solch außergewöhnliche artistische Fähigkeiten verfügen, dass sie fünf Meter hohe Wände erklimmen können? Wohl kaum. Es ist offensichtlich, dass diese Sperren sozusagen dem gegenteiligen Zweck dienen: Sie sollen Ausbrecheran der Flucht hindern. Durch den Stacheldraht wird verhindert, dass sich ein Flüchtling oben vom Wehrgang aus an einem Seil hinunterlassen kann.«
    Wir rasteten am Waldrand. Über allem lag eine himmlische Ruhe. Nichts bewegte sich. Die Sonne zog ihre Bahn. Die Zeit verging. Das Dresdener Einsatzkommando ließ auf sich warten.
    Die Zugbrücke war heruntergelassen worden. Wir gingen hinüber. Warum auch nicht? Nirgendwo ließ sich eine Menschenseele blicken. Am zweiflügeligen Burgtor endete der Weg. Im rechten Torflügel gab es noch eine kleine Tür. Ich rüttelte an ihrer Klinke. »Sie ist abgesperrt. Was nun? Wo sollen wir suchen? Es gibt keine Fußmatte, und der Sims ist viel zu hoch. Außerdem fehlt das Schlüsselloch.«
    Holmes kroch auf allen vieren auf dem Boden herum, untersuchte das Tor und versuchte, durch den Spalt zwischen den beiden Flügeln in das Innere der Burg zu spähen. »Das Portal ist von innen mit einem Querbalken gesichert. Es muss deshalb eine ganz einfache Möglichkeit geben, die kleine Tür von außen öffnen zu können. Wirf bitte mal einen Blick auf die Scharniere. Fällt dir etwas auf?«
    Ich bückte mich und inspizierte die handgeschmiedeten Beschläge an der kleinen Tür, die fest mit knapp zehn Zentimeter breiten Bändern verbunden waren. Diese Metallbänder verliefen über die gesamte Türbreite und wurden wiederum von senkrechten Bändern überlappt. Bei einiger Fantasie wirkte die Tür wie ein gut verschnürtes Geburtstagsgeschenk. »Die Scharniere sind frisch geschmiert worden«, stellte ich fest und tippte das

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