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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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oberste mit dem Zeigefinger an. Ich betrachtete meine Fingerkuppe. Auf ihr glänzte ein schwarzer Fleck.
    »Haben wir also richtig kombiniert. Das ist der Eingang für die Dienstboten. Die Herrschaft kommt durch das Tor.«
    Holmes untersuchte nun die Bänder genauer. Wo sie kreuzweise aufeinandertrafen, waren sie zusammengenietet worden. Die Köpfe der Nieten trugen Spitzen und standen etwa zwei Inch ab. Sie vereitelten jede Absicht, die Tür eintreten zu wollen. Ähnliche Stachel ragten auch noch an anderen Stellen aus dem zerschrammten und ausgeblichenen Holz. »Schau dir nur die Bänder und die Nieten an. Ich glaube, hier will uns jemand einen riesigen Bären aufbinden.«
    »Sie sind offensichtlich erst vor Kurzem schwarz lackiert worden. Das lässt sich an den danebengegangenen Spritzern und den winzigen, unbehandelten Stellen erkennen.«
    »Ganz genau! Aber weshalb sollte sich jemand die Mühe machen, diese Beschläge anzupinseln, wenn die Tür selbst einen viel dringenderen Anstrich benötigt? Mir fällt dazu nur ein einziger Grund ein: Es handelt sich um ein Täuschungsmanöver!« Holmes berührte mehrere Metallspitzen und versuchte, an ihnen zu wackeln. Eine Stachelspitze links oberhalb vom Türgriff ließ sich bewegen. Mein Freund zog daran.
    Innen schnappte ein Riegel zurück. Die Pforte ging auf.
    Was nun? Wir lauschten. Alles blieb still. Die Sonne überzog alles mit einem goldenen Schein. Tauben gurrten. Nach einer Weile fassten wir uns ein Herz, zogen die Köpfe ein, gingen unter dem niedrigen Türbalken durch und inspizierten den simplen, aber höchst wirkungsvollen Öffnungsmechanismus: Der Riegel wurde von einem Seilzug gezogen, der über zwei Rollen lief und mit der Stachelspitze verbunden war. Eine Feder sorgte dafür, dass er zurückschnappte, sobald die Stachelspitze wieder losgelassen wurde.
    »Das gefällt mir nicht«, gab ich zu bedenken. »Die Burg ist ringsum mit Stacheldraht umwickelt, aber der Zugang steht offen. Das sieht nach einer Mausefalle aus. Wir werden ineine ganz bestimmte Richtung gelenkt und marschieren munter darauf zu.«
    »In der Tat. Hier unterschätzt jemand unsere Intelligenz. Wir müssen deshalb ständig auf der Hut bleiben.«
    Wir sahen uns um. Zwischen der äußeren und der inneren Burg verlief eine fünfzehn Meter breite Gasse. Unterhalb des Wehrgangs der Burgmauer hatten sich früher einmal Werkstätten und Wohnungen befunden. Die winzigen Fachwerkhäuser machten inzwischen einen sehr baufälligen Eindruck. Fast alle Fensterscheiben waren zerschlagen. Leere Türöffnungen gaben den Blick auf vermodertes Gerümpel frei. Zwischen den Pflastersteinen wuchs Unkraut. Diverse Taubenkadaver in unterschiedlichen Verwesungszuständen vermischten sich mit Fetzen von Dachpappe und grün bemoosten Sparren. In einem Kieshaufen steckte eine von Brennnesseln umwucherte Schaufel mit abgebrochenem Stiel. Daneben lagen versteinerte Zementhaufen, verfaulten Holzstapel und verrottete eine Kalkschütte. Der Ort wirkte so trostlos wie eine aufgegebene Goldgräberstadt am Klondike. Die meisten Hauseingänge waren mit provisorisch über Kreuz genagelten Brettern gesperrt. Dutzende Warnschilder mit den unterschiedlichsten Aufschriften hingen überall herum. Wir verzichteten darauf, weiter in die Gasse vorzustoßen.
    »Dr. Alexander von Schleuben-Aumont scheint einen Hang für das Morbide zu haben«, stellte Holmes fest und ging weiter zum Tordurchgang, der die innere mit der äußeren Burg verband. Die gewaltigen Gitter waren an ihren Kettenzügen zu zwei Dritteln hochgezogen und mit Eisenstangen verkeilt worden.
    »Das bedeutet zweierlei: Momentan besteht keine Fluchtgefahr von wem auch immer, und ungebetene Gäste wie wirsind herzlich willkommen«, konstatierte Holmes und setzte fort: »Im Übrigen ist dies definitiv eine hoch wirksame Verteidigungsanlage. Falls es einem Feind infolge eines Überraschungsangriffs tatsächlich gelungen wäre, hinter die Außenmauern in den ersten Innenring einzudringen, so hätte ihm das überhaupt nichts genutzt. Er wäre von zwei Seiten aus unter Beschuss genommen worden.«
    Das Bild des knapp zehntausend
square yards
großen Atriums unterschied sich wesentlich von dem der äußeren Gasse. Bis auf einen Stapel verfaulender Balken an der Nordseite wirkte er sauber und ordentlich. Der gesamte Platz war mit hellbraunen Platten ausgelegt, zwischen denen vereinzelte Büschel Löwenzahn sprossen. In der Mitte stand ein Brunnen mit Sandsteineinfassung und

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